Ein „Referenzwert“ ist ein vorher festgelegter Basiswert, an dem die Wertentwicklung von Finanzinvestitionen und Kreditkosten gemessen wird.
Ein Referenzwert kann verwendet werden, um die Wertentwicklung eines Index, eines Wertpapiers oder sogar die Leistung eines Vermögensverwalters zu messen. Zum Beispiel basiert die Wertentwicklung von Investmentfonds oft auf der Entwicklung des Aktienindex „Standard & Poor’s 500“. Ein Referenzwert kann auch zur Definition der Vermögensallokation eines Portfolios oder zur Berechnung von erfolgsabhängigen Gebühren verwendet werden.
Ein Referenzwert kann als sinnvolle Grundlage für Cash-Produkte (Firmenkredite, Familienkredite, Überziehungskredite) und Non-Cash-Produkte (andere komplexere Finanztransaktionen wie z.B. Derivate) verwendet werden.
Banken verwenden Referenzwerte, wenn sie Zinsen für Kredite, Schuldverschreibungen und Einlagen berechnen. Beispielsweise könnten Banken Geld zu einem vereinbarten Zinssatz verleihen, der auf Basis eines bestimmten Referenzzinssatzes zuzüglich eines Zinsaufschlags berechnet wird. Wenn der Zinsaufschlag auf 1 % festgelegt wird, liegen die zu zahlenden Zinsen 1 Prozentpunkt über dem aktuellen Referenzzinssatz. Die Kosten des Kredits steigen also, wenn der Referenzzinssatz steigt und umgekehrt. In diesem Fall kann der Referenzzinssatz eine zuverlässige, unabhängige und relativ einfache Bezugsgröße für alle beteiligten Parteien sein.
Referenzzinssätze sind für die Finanzmarktstabilität von entscheidender Bedeutung und spielen daher auf den Finanzmärkten eine zentrale Rolle, da sie von Einzelpersonen und Organisationen im gesamten Wirtschaftssystem auf breiter Basis verwendet werden. Die wichtigsten Referenzzinssätze sind die Euro Interbank Offered Rate (EURIBOR) und die London Interbank Offered Rate (LIBOR). Sie bilden im globalen Finanzsystem eine Preisgrundlage für Kredite.
Im Jahr 2013 forderte die G20 das Financial Stability Board (FSB) auf, eine grundlegende Überprüfung der wichtigsten Referenzzinssätze vorzunehmen und Pläne für mögliche Anpassungen zu entwickeln, um sicherzustellen, dass diese Referenzzinssätze hinreichend robust und verlässlich sind und von den Marktteilnehmern korrekt verwendet werden.
Im Juli 2014 veröffentlichte das FSB seine Empfehlungen, in denen im Wesentlichen zwei Kernziele festgelegt wurden: (1) die IBORs (Interbank Offered Rates, von denen der LIBOR einer der am häufigsten verwendete Referenzzinssätze ist) zu reformieren, um die bestehenden Berechnungsmethoden zu verbessern und sie stärker an den tatsächlichen Transaktionen auszurichten; und (2) alternative Referenzzinssätze zu entwickeln, die den Anforderungen an robuste Referenzzinssätze gerecht werden.
In diesem Zusammenhang fordert das FSB erhebliche und nachhaltige Anstrengungen der Regulierungsbehörden sowie von Finanz- und Nichtfinanzunternehmen in vielen Ländern, bis spätestens Ende 2021 vom London Interbank Offered Rate (LIBOR) abzurücken, um potenzielle Risiken zu mindern, die sich aus dem erwarteten Wegfall des LIBOR ergeben.
Mit der EU-Benchmark-Regulierung 2016/1011 (BMR) – die am 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist – gehörte die EU zu den ersten Wirtschaftsräumen, die ein umfassendes und rechtsverbindliches Regelwerk für finanzielle Referenzzinssätze eingeführt hat. Die BMR verbietet EU-beaufsichtigten Nutzern die Verwendung eines Referenzzinssatzes, es sei denn, sein Administrator verfügt über die Genehmigung einer nationalen Regulierungsbehörde in einem der EU-Mitgliedstaaten und erscheint im Benchmark-Register, das von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), einer supranationalen Aufsichtsbehörde der EU, geführt wird.
Noch wichtiger für Kreditnehmer und Kreditgeber ist die Auflage der BMR, dass solche Verträge und Vereinbarungen tragfähige Rückfallvereinbarungen enthalten, in denen festgelegt ist, welchen Referenzwert die Parteien verwenden werden, falls der ursprünglich vereinbarte Referenzwert nicht mehr verfügbar ist.
Am 22. Januar 2021 haben die Europäische Kommission und der Rat der Europäischen Union Änderungen an der Benchmark-Verordnung (EU) 2016/1011 erlassen, die am 13. Februar 2021 in Kraft traten. Die geänderte BMR ermächtigt die Europäische Kommission mittels delegierter Rechtsakte einen Ersatz für kritische Referenzwerte und andere relevante Referenzwerte zu bestimmen (falls deren Beendigung die Finanzmärkte in der EU erheblich stört oder nicht mehr die zugrunde liegende Markt- oder Wirtschaftsrealität widerspiegelt). Ein solcher gesetzlicher Ersatz ("gesetzliche Alternativreferenzwerte") betrifft jeden Vertrag oder jedes Finanzinstrument, das dem Recht eines der EU-Mitgliedstaaten unterliegt und auf einen Referenzwert Bezug nimmt. Auch Verträge, die dem Recht eines Drittlandes unterliegen, sind betroffen, wenn alle Parteien in der EU ansässig sind und das Recht dieses Drittlandes keine geordnete Abwicklung eines Referenzwertes vorsieht. Die gesetzlichen Alternativreferenzwerte ersetzen alle Verweise auf diesen Referenzwert in solchen Verträgen und Finanzinstrumenten, wenn sie keine geeignete Rückfallklausel enthalten. Die gesetzlichen Alternativreferenzwerte werden von der Europäischen Kommission nach einer öffentlichen Konsultation unter Berücksichtigung der Empfehlungen der nationalen Arbeitsgruppen für risikofreie Referenzzinssätze bestimmt (z.B. Alternative Reference Rates Committee für USD Libor, Working Group on Sterling Risk-Free Reference Rates für GBP Libor).
Darüber hinaus wird mit der Änderung auch die derzeitige Übergangsfrist für Drittland-Benchmarks bis Ende 2023 verlängert.
Der Durchführungsverordnung zur BMR wurde am Freitag, den 22. Oktober verabschiedet und im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.
Die Durchführungsverordnung schafft eine Rechtsgrundlage für einen gesetzlichen Ersatzzinssatz für Altverträge, die an den CHF-LIBOR und den EONIA gebunden sind und noch nicht umgewandelt wurden oder keine angemessenen Ausweichsätze enthalten (OJ L 374, 22.10.2021, p. 1 ; OJ L 374, 22.10.2021, p. 6).
CHF LIBOR
Der Ersatzzinssatz wäre ein im Voraus festgelegter 1 oder 3 Monats-SARON-Durchschnitt + Spread-Anpassung und gilt ab dem 1. Januar 2022:
EONIA
Der EONIA wird ab dem 3. Januar 2022 durch den €STR + 8,5 bps (Spread-Anpassungswert) ersetzt.
Während die Finanzmärkte von der Verwendung des LIBOR zu einer Alternative übergehen, werden Banken und ihre Kunden gemeinsame Anstrengungen unternehmen, damit der Übergang reibungslos von statten geht. Nachstehend findet sich eine kurze Übersicht.
EURIBOR: kann nach den Regeln der BMR weiterhin als Referenzzinssatz verwendet werden.
Der Euro Interbank Offered Rate (EURIBOR) ist ein unbesicherter Marktreferenzzinssatz, der von einem Gremium ausgewählter Banken berechnet und vom European Money Markets Institute (EMMI) für mehrere Laufzeiten (eine Woche sowie ein, drei, sechs und zwölf Monate) administriert und veröffentlicht wird.
Um den Anforderungen der europäischen Benchmark Regulierung gerecht zu werden, hat EMMI eine neue Berechnungsmethodik (sog. „Hybridmethodik“) entwickelt. Nach der neuen Hybridmethodik wird der EURIBOR anhand realer Transaktionen berechnet, wenn solche Transaktionen verfügbar sind.
Vom EONIA zu €STR
EONIA in seiner bisherigen Ausprägung könnte angesichts der wenigen zugrundeliegenden Transaktionen und der hohen Volumenkonzentration auf eine kleine Zahl von Transaktionsparteien nicht mehr mit der EU BMR konform sein.
Um den EONIA für eine Übergangszeit und bis zu seiner Einstellung am 3. Januar 2022 fortführen zu können, wurde seine Methodik geändert, und seit dem 2. Oktober 2019 wird der EONIA mit dem €STR zuzüglich einer festen Zinsspanne von 8,5 Basispunkten berechnet. Der €STR spiegelt die unbesicherten Euro-Tagesgeldkosten der Banken des Euroraums wider und basiert ausschließlich auf realen Transaktionen, die der EZB gemeldet wurden.
Der EONIA wird zum letzten Mal am 3. Januar 2022 veröffentlicht und danach eingestellt; alle Verträge, die nach diesem Datum fällig werden und sich auf den EONIA beziehen, müssen eine schriftliche Rückfallklausel enthalten, die den Ersatz des EONIA vorsieht.
Vom London Interbank Offered Rate (LIBOR) zum Alternative Reference Rate (ARR, Alternativer Referenzzinssatz)
Die London Interbank Offered Rate (LIBOR) wird gegenwärtig zentral in London vom ICE Benchmark Administrator in sieben Laufzeiten, von Tagesgeld bis zu 12 Monaten, für 4 Währungen (siehe nachstehende Tabelle) ermittelt, wobei die britische Prudential Regulation Authority (PRA) für seine Regulierung zuständig ist.
Die Financial Conduct Authority (FCA) hat klargestellt, dass die Veröffentlichung des LIBOR nicht über das Jahr 2021 hinaus garantiert ist und die Finanzinstitute daher die bestehenden Verträge vor diesem Datum auf alternative Referenzzinssätze (ARR) umstellen müssen.
ARR sind nahezu risikofreie Referenzzinssätze für Tagesgeld, die als alternative Referenzsätze für die geltenden wichtigsten Interbank Offered Rates (IBOR) festgelegt wurden. Diese Zinssätze sind robust und in aktiven, liquiden Basismärkten verankert.
Eine Auswahl möglicher Alternativen zum LIBOR weltweit:
Am 5. März 2021 hat die FCA bestätigt, dass alle LIBOR-Laufzeiten entweder von keinem Administrator mehr zur Verfügung gestellt werden oder nicht mehr repräsentativ sind: unmittelbar nach dem 31. Dezember 2021 im Falle aller Sterling-, Euro-, Schweizer Franken- und Japanischen Yen-Laufzeiten sowie der 1-Wochen- und 2-Monats-US-Dollar-Währungspaare; und unmittelbar nach dem 30. Juni 2023 im Falle der verbleibenden US-Dollar-Referenzwerte.
Die FCA wird Konsultationen zu einem Vorschlag durchführen, der die fortgesetzte Veröffentlichung der repräsentativsten Laufzeiten (1M, 3M und 6M) der GBP-, JPY- und USD-LIBOR-Sätze auf synthetischer Basis vorschreibt, um den Übergang von Altverträgen zu erleichtern.
Rückfallbestimmungen
Um das Risiko zu berücksichtigen, dass sich durch den Wegfall eines oder mehrerer LIBORs oder Referenzsätze ergibt, während die Marktteilnehmer weiterhin an diesen Zinssatz gebunden sind, werden Finanzinstitute und Kunden dazu angehalten, vertraglichen Rückfallklauseln zuzustimmen, die ARRs als Ersatzzinssätze heranziehen.
Die Alternativzinssätze werden gegenwärtig entwickelt, um die Kontinuität der Verträge nach dem Wegfall des LIBOR zu gewährleisten. Darüber hinaus müssen die Marktteilnehmer sicherstellen, dass sich die Verträge nach der Anwendung der Rückfallklausel so nah wie möglich an der ursprünglichen Vereinbarung orientieren, und somit ein vorhersehbarer, transparenter und fairer Zinssatz angewendet wird.
In zahlreichen Ländern wird daran gearbeitet, vertragliche Rückfallbestimmungen in den Verträgen zu verankern, um die Risiken zu mindern, die mit der Unwägbarkeit der Existenz des LIBOR nach 2021 verbunden sind, und somit potenzielle Unsicherheiten zu verringern, sollte der LIBOR nicht mehr verwendet werden.
Die Benchmark Reform wirkt sich auf bestehende/neue Verträge aus, insbesondere auf Kreditverträge und Finanzkontrakte, die an einen LIBOR gekoppelt sind. Während der LIBOR weiterhin bis Ende 2021 veröffentlicht wird, erwarten die Bank of England und die Financial Conduct Authority sowie die Working Group on Sterling Risk-Free Reference Rates, dass alle im Vereinigten Königreich ansässigen Finanzinstitute bis zum Ende des 1. Quartals 2021 die Auflage neuer LIBOR-basierter Produkte, die nach 2021 fällig werden, einstellen werden. Folglich wird UniCredit sein Angebot dahingehend überprüfen, welche Referenzzinssätze auf den Märkten und im Einklang mit dem regulatorischen Umfeld verfügbar sind.
UniCredit setzte eine spezielle Arbeitsgruppe ein, die die Einhaltung der europäischen Benchmark-Regulierung (BMR) und einen geordneten Übergang von LIBOR zu ARRs sicherstellen soll. Darüber hinaus nimmt UniCredit an mehreren internationalen Arbeitsgruppen teil, um den IBOR-Übergangsprozess aktiv mitzugestalten und zu unterstützen. Um die Aufklärung und das Bewusstsein für die IBOR-Umstellung weiter zu fördern, veröffentlicht die UniCredit Group durch ihr Research-Team Flash-News und Webcasts auf dem UniCredit Research Portal.
Im Bereich der OTC-Derivate hat die International Swaps and Derivatives Association (ISDA) ihr IBOR Fallbacks Supplement zu den 2006 ISDA Definitions und das dazugehörige ISDA 2020 IBOR Fallbacks Protocol eingeführt, die beide am 25. Januar 2021 in Kraft traten. UniCredit Spa, UniCredit Bank GmbH und UniCredit Bank Austria AG traten diesem im Februar 2021 bei.
Das IBOR Fallbacks Supplement führt eine Reihe von spezifischen Alternativzinssätzen ein, die für den Fall gelten, dass der IBOR nicht mehr repräsentativ ist oder nicht mehr zur Verfügung gestellt wird. Verträge, die auf die Standard-Zinsdefinitionen der ISDA referenzieren, erhalten vertragliche Sicherheit über Alternativzinssätze, die auf währungsspezifischen risikofreien Overnight-Sätzen basieren und nachschüssig aufgezinst und einer zuzüglichen Spread-Anpassung unterzogen werden. Die relevanten IBORs, die durch das ISDA IBOR Supplement abgedeckt werden, sind: GBP LIBOR, CHF LIBOR, USD LIBOR, EUR LIBOR, EURIBOR, JPY LIBOR, TIBOR, Euroyen TIBOR, BBSW, CDOR, HIBOR, SOR und THBFIX.
Derivatkontrakte, die auf die ISDA 2006 Definitionen verweisen und am oder nach dem 25. Januar 2021 in Kraft traten, enthalten automatisch die Bedingungen des IBOR Fallbacks Supplement. Das ISDA 2020 IBOR Fallbacks Protocol erlaubt es einer Partei, ihre nicht „geclearten“, auf IBOR lautenden Altverträge mit anderen dem Protocol beigetretenen Parteien zu ändern, um die Bedingungen des IBOR Fallbacks Supplement aufzunehmen. Das ISDA 2020 IBOR Fallbacks Protocol gilt ausschließlich für bestehende Transaktionen zwischen Gegenparteien, die beide dem Protokoll beigetreten sind. Relevante Verträge und Geschäfte sind solche, die vor dem 25. Januar 2021 gehandelt werden und in der Liste der verschiedenen Dokumentationsarten ("Protocol Covered Documents") innerhalb des ISDA IBOR Fallbacks Protocol enthalten sind.
Weitere Informationen über das ISDA 2020 IBOR Fallbacks Supplement und Protocol, die zugehörige Dokumentation und die Initiativen der ISDA zur Benchmark-Reform und zum Übergang von IBORs finden Sie auf der ISDA-Website.
Die ISDA hat als Reaktion auf die Ankündigung der FCA vom 5. März 2021 über die künftige Einstellung und den Verlust der Repräsentativität der LIBOR-Referenzzinssätze die folgende Erklärung veröffentlicht: "Die von Bloomberg veröffentlichte Alternativzinssatz-Spread-Anpassung ist ab dem Datum der Ankündigung für alle Euro-, Sterling-, Schweizer Franken-, US-Dollar- und Yen-LIBOR-Einstellungen festgelegt".
Weitere nützliche Informationen zur IBOR-Reform finden Sie auf den Websites der nationalen Arbeitsgruppen und Branchenverbände.
The Working Group on Euro Risk-Free Rates
Alternative Reference Rates Committee (ARRC)
The Working Group of Sterling Risk-Free Reference Rates
The National Working Group on Swiss France Reference Rates
Cross-Industry Committee on Japanese Yen Interest Rate Benchmarks
International Swaps and Derivates Association, Inc (ISDA)
Loan Market Association (LMA)
Der Inhalt dieser Seite spiegelt das gegenwärtige Verständnis von UniCredit für den IBOR-Übergang wider und kann sich jederzeit ändern. Es sei darauf hingewiesen, dass die hier vorliegende Übersicht weder vollständig noch abschließend sein soll. Sie kann eine gründliche Beurteilung durch unabhängige Fachleute, wie sich diese Entwicklungen auf Sie oder Ihre Organisation auswirken können, nicht ersetzen und stellt keine Beratung oder Empfehlung dar. UniCredit wird sich bemühen, diese Seite regelmäßig zu aktualisieren und/oder Mitteilungen über Marktentwicklungen bezüglich der Referenzzinsreform zur Verfügung zu stellen.