Anlagejahr 2026: Trends, Chancen, Risiken. Was Anleger:innen jetzt wissen sollten.
Andreas Rees:
Also, der Ausblick für das Gesamtjahr 2026, der ist konstruktiv. Es wird auch Gegenwind geben. Wir rechnen unverändert mit höheren Inflationszahlen in den USA durch die Zollerhöhung. Selbst ein Donald Trump kann sich den ökonomischen Gravitationsgesetzen nicht vollständig entziehen. Also auch er schafft es nicht.
Philip Gisdakis:
Auf der Aktienseite finden wir die Schwellenländer attraktiv und wir sind auch bei den KI-Unternehmen gut positioniert. Allerdings würden wir unsere Position ähnlich wie bei Gold nicht noch weiter ausbauen.
Christian Stocker:
Die Technologieunternehmen bleiben ganz, ganz vorne. Aktuell sind wir nicht in der Blase, wenn wir in diesem Bereich kommen sollten, möglicherweise im Jahr 2027, dann werden die Karten natürlich neu gemischt.
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Nikolaus Barth:
Herzlich willkommen zur neuesten Ausgabe des HVB Markt-Briefings. Mein Name ist Nikolaus Barth, ich bin Wertpapier und Börsenexperte bei der HypoVereinsbank und ich begrüße Sie sehr herzlich zu dieser Folge.
Wir blicken auf ein spannendes Börsenjahr zurück. Vielleicht kann man es sogar ein verrücktes Jahr nennen. Doch was 2025 war, muss ja 2026 nicht so weitergehen. Darüber werden wir heute sprechen. Machen Prognosen in dieser Zeit Sinn und worauf muss ich 2026 achten?
Und ich kann mir keine besseren Gesprächspartner vorstellen als meine drei heutigen. Ich darf zunächst vorstellen:
· Dr. Andreas Rees, der Chefvolkswirt der HypoVereinsbank.
· Dr. Philip Gisdakis, der Chef-Anlagestratege im Haus der HypoVereinsbank.
· Und last but not least Christian Stocker, der leitende Aktienstratege bei der HypoVereinsbank.
Schön, dass ihr drei heute für uns Zeit gefunden habt.
Andreas Rees: Hallo, grüßt euch.
Philip Gisdakis: Hallo.
Christian Stocker: Hallo zusammen.
Nikolaus Barth:
Jetzt lass uns vorausblicken auf das Jahr 2026. Andreas, was sind denn die großen Themen für das nächste Jahr?
Andreas Rees:
Ja, natürlich ganz vorne mit dabei die geoökonomischen Themen wie möglicherweise weitere Handelskonflikte in der Triade USA, Europa, China. Dann für uns hier in Deutschland wichtig: Kriegt jetzt die deutsche Wirtschaft endlich die Kurve beim Wachstum nächstes Jahr? Wir sind im Schnitt der letzten 5 Jahre nicht von der Stelle gekommen. Dann der Klassiker: Was macht die amerikanische Konjunktur? Wir befinden uns im Moment in einem Blindflug. Der Shutdown in den USA ist zwar vorbei, aber viele Makrodaten sind immer noch nicht veröffentlicht worden. Also, relativ schwierige Situation. Dann haben wir die amerikanische Notenbank, die Fed. Das ist auch ein großes Thema. Bleibt sie weitestgehend unabhängig oder nimmt sie Donald Trump dann an die Kandare? Und vielleicht auch noch sehr wichtig, die chinesische Wirtschaft. Kommen da mehr Impulse gerade für die deutschen Exporteure? Oder wird vielleicht sogar umgekehrt ein Schuh draus? Fängt jetzt China an, mehr nach Europa zu exportieren? Versuchen sie Europa mit ihren Produkten zu fluten, weil die chinesischen Unternehmen eben nicht mehr so viel in den USA verkaufen können?
Nikolaus Barth:
Das ist einiges für 2026. Christian, was sind denn für dich die großen Themen, auf die wir blicken sollten?
Christian Stocker:
Für mich sind es eigentlich 2 ganz große Themen für 2026. Zum einen die große Frage, wird sich der Anstieg der Unternehmensgewinne nicht nur in Europa und den USA, sondern global gesehen so wie erwartet fortsetzen? Und das zweite große Thema ist eigentlich auch das Hauptthema der vergangenen Monate.
Befindet sich die Börse in einer AI Bubble, in einer Blase der künstlichen Intelligenz, mit zu hohen Investitionsausgaben und einer zumindest in den USA zu starken Fokussierung der Performance auf eine Handvoll Unternehmen.
Nikolaus Barth:
Philip, was fehlt für dich in der Aufzählung?
Philip Gisdakis:
Ja, viele Dinge sind schon angesprochen worden, was für mich noch wichtig ist, zusätzlich zu dem, was der Andreas angesprochen hat, bezüglich der amerikanischen Zentralbank, wäre mir noch wichtig, das Thema Schuldenentwicklung in den USA und dann natürlich auch die Währungsentwicklung der US-Dollar, wie entwickelt sich das weiter?
Und bezüglich des Themas, was Christian angesprochen hat, bei den KI-Unternehmen, was können wir denn für Diversifizierer in das Portfolio einbauen, um entsprechenden Risiken Rechnung zu tragen?
Nikolaus Barth:
Also, ihr habt die Agenda für heute vorgegeben, da ist ja einiges zu besprechen.
Andreas, wir haben ja schon beim letzten Podcast über dein erstes Thema gesprochen, über geoökonomische Entwicklungen. Kannst du deine Prognose in 2 oder 3 Sätzen zusammenfassen?
Andreas Rees:
Ja, also Nikolaus, du kennst mich ja, 2 oder 3 Sätze, das schaffe ich nicht. Wird schwierig und es ist auch keine Prognose, muss man ganz ehrlicherweise sagen. Ich würde es mal als Annahme titulieren wollen. Aber jetzt wirklich auf einen ganz kurzen Nenner gebracht, wir denken, dass die Handelskonflikte zwischen den USA und Europa und auch China nächstes Jahr nicht noch mal eskalieren werden, aber richtig Ruhe reinkommen wird vermutlich auch nicht. Das heißt also, die USA werden Europa und auch China weiterhin unter Druck setzen. China wird dagegenhalten und mit Gegenmaßnahmen reagieren, wie wir das schon gesehen haben, mit den seltenen Erden unter anderem oder auch mit anderen kritischen Rohstoffen. Gleichzeitig ist Europa zumindest im Moment noch zu schwach, um dagegen zu halten. Das wird sich nächste dieses Jahr nicht ändern. Also insofern nichts Neues, aber vielleicht (hoffentlich) ein etwas weniger turbulentes Jahr 2026 als das ablaufende. Aber wie gesagt, das ist keine Prognose, das lässt sich nicht prognostizieren, das ist eine Annahme von uns.
Nikolaus Barth:
Der letzte Ifo-Geschäftsklimaindex war ja nicht so toll, jetzt lass uns zunächst mal auf Deutschland blicken und 2026 kriegt denn unser Land die Kurve?
Andreas Rees:
Wir glauben schon, glauben, dass die deutsche Wirtschaft nächstes Jahr wieder anfängt, nachhaltig zu wachsen, und ich kann mir jetzt gut vorstellen, dass einige Hörer zusammenzucken, wenn ich das so sage. Aber wir denken schon, dass die Chancen dafür nicht schlecht stehen. Also, die Prognose ist Wachstum nächstes Jahr, so rund eineinviertel Prozent im Jahresdurchschnitt. Das ist nicht besonders stark, aber das Wachstum wird sich im Jahresverlauf unserer Prognose zufolge allmählich aufbauen. Also, man muss Geduld mitbringen, aber es wird sich etwas ändern. Wir haben also einmal die fiskalische Bazooka, die zum Wachstum beiträgt, also mehr Geld für Infrastruktur und Verteidigung. Aber es ist eben nicht ausschließlich nur die Bazooka. Zum Beispiel wird auch im Bereich Wohnen und Gewerbeimmobilien, da wird es auch Wachstumsimpulse geben. Wir haben Bereiche, die werden nur wenig beitragen können zum Wachstum, wenn überhaupt. Ich denke da an die Unternehmen und ihre Investitionen. Die dürften sich nach wie vor zurückhalten. Vielleicht gibt es ein bisschen Momentum bei den Ersatzinvestitionen, aber bei den Erweiterungsinvestitionen, also der Aufbau neuer Kapazitäten, das sehen wir in vielen Branchen so nicht. Und wenn ich noch mal einen Schritt zurückgehen darf, Nikolaus, ein Wort noch mal zur Bazooka. Ich glaub schon an den Erfolg der Bazooka, weil die Modernisierung der Infrastruktur die deutsche Wirtschaft besser machen wird. Das ist alternativlos im Bereich Verteidigung. Da wird es mittel bis längerfristig auch technologische Sprünge geben, von der kann dann auch die zivile Wirtschaft profitieren. Aber was dabei ganz wichtig ist, der ökonomische Erfolg der Bazooka, der wird sich natürlich nicht über Nacht einstellen. Das braucht einfach Zeit. Wir müssen mit der Bazooka Geduld haben. Wir haben in Deutschland ein -Bürokratieproblem und damit haben wir auch ein Umsetzungsproblem, die Bazooka schnell in die Wirtschaft zu lenken. Also, das wird Zeit brauchen. Das Bürokratieproblem, das ist jetzt teilweise adressiert worden durch den Bau-Turbo. Es kommt ein Infrastruktur-Turbo, den Rüstungsturbo, aber auch diese ganzen Turbos, die müssen ja erst einmal wieder umgesetzt werden. Also, insofern, wir brauchen Geduld und ich denke, je weiter man dann in die Zukunft blickt, also 2027, 28, 29, umso stärker wird dann die Bazooka auch wirklich ziehen. 2026, da kommt schon ein bisschen was an in der Wirtschaft, aber da ist auch Geduld gefragt.
Nikolaus Barth:
Da klingt auch ein bisschen Hoffnung in deinen Worten dabei. Jetzt lass uns mal über einzelne Impulse sprechen. Kommen denn für die deutschen Exporteure Impulse aus China?
Andreas Rees:
Ja, das wäre schön, aber die ehrliche Antwort heißt nein. Für die Gesamtheit der deutschen Exporteure über die Sektoren hinweg, da kann man nicht mit kräftigen Impulsen rechnen, weil China auch im nächsten Jahr, denke ich, auf die altbekannten Rezepte setzen wird. Also, Technologie ausbauen, autark werden, teilweise auch die Abschottung des eigenen Marktes, dann der Versuch, die eigenen Produkte im Ausland zu verkaufen, wahrscheinlich noch stärker in Europa als zuvor, wegen den amerikanischen Zöllen. Also, es wird vermutlich eine Umlenkung der chinesischen Exporte stattfinden, die bislang in die U.S.A. gingen, in Richtung Europäische Union. Und gleichzeitig wird es so sein, dass China vermutlich nach wie vor große Probleme hat am Immobilienmarkt. Das dämpft dann die Konsumlaune der chinesischen Privathaushalte, weil eben der Preisverfall bei Immobilien anhält, und die Privathaushalte fühlen sich dadurch ärmer. Also kurze Antwort: Nein, keine Trendwende in der chinesischen Wirtschaft, keine besonderen, stärkeren Impulse für die deutschen Exporteure, sondern weiter eine graduelle Entschleunigung der chinesischen Wirtschaft. Das Wachstum wird vermutlich bei vier, viereinhalb Prozent im nächsten Jahr liegen, also insofern nichts Neues.
Nikolaus Barth:
Jetzt waren wir schon in Fernost, jetzt lass uns mal jenseits des Atlantiks schauen. Stolpert die US-Wirtschaft über die höheren Zölle?
Andreas Rees:
Also, wir haben trotz Zöllen nach wie vor, ich würde sagen, ein konstruktives US-Bild. Wir erwarten ein Wachstum so von rund 2% im nächsten Jahr. Wir haben konjunkturellen Rückenwind einmal durch eine relativ lockere Fiskalpolitik. Wir haben mehr Investitionen im Bereich KI, künstliche Intelligenz und auch die Finanzierungskonditionen, die sollten sich etwas verbessern. Also Stichwort Zinssenkung, da können wir dann gleich nochmal drüber reden. Aber ganz wichtig an der Stelle, wir werden vermutlich erstmal mehr Volatilität beim Wachstum sehen um die Jahreswende. Q4 2025 sollte schwach gewesen sein wegen dem Shutdown. Das wird sich dann im ersten Quartal 2026 ändern. Das wird aufgeholt werden, also nicht irritieren lassen, wenn es die Konjunkturzahlen erstmal durchwachsen oder auch mal richtig schlecht werden. Also der Ausblick für das Gesamtjahr 2026, der ist konstruktiv. Aber man darf natürlich nicht vergessen, es wird auch Gegenwind geben. Wir rechnen unverändert mit höheren Inflationszahlen in den USA durch die Zollerhöhung, denn selbst ein Donald Trump, der kann sich den ökonomischen Gravitationsgesetzen nicht vollständig entziehen. Wir erleben ja im Moment eine kleine Rolle rückwärts in seiner Zollpolitik, wenn es um Lebensmittel geht. Also die Zölle hier sollen gesenkt werden, auch für einige Lebensmittel aus der Europäischen Union. Also insofern schon ein bisschen Gegenwind. Und was natürlich spannend ist, wenn man über die USA redet, was macht jetzt die Fed in dem Umfeld, wenn die Inflation sich zumindest etwas beschleunigt und die Konjunktur ganz gut läuft.
Nikolaus Barth:
Du hast das Stichwort Fed schon geliefert, also die Federal Reserve, die Zentralbank, die Notenbank der Vereinigten Staaten. Was macht sie jetzt konkret 2026 und man muss ja die Frage direkt anhängen, bleibt sie eigentlich unabhängig?
Andreas Rees:
Ja, Nikolaus, eines der wirklich ganz, ganz großen Themen, der Blockbuster vielleicht sogar neben der Bazooka für uns in Deutschland. Was passiert mit der Fed? Ich fange mal damit an, wo wir im Augenblick stehen. Die Trump-Administration sucht derzeit einen Nachfolger von Jerome Powell, also dem Fed-Vorsitzenden. Die Amtszeit von Powell als Vorsitzender, die läuft im Mai 2026 aus. Jetzt sind einige Namen im Spiel, darunter ich nenne sie die bei den Kevins. Also hat sie auch Trump so genannt: Kevin Hessed, der wirtschaftspolitische Chefberater von Trump, und Kevin Wash. Das ist ein gestandener ehemaliger Notenbanker bei der Fed. Jetzt soll angeblich in diesem Jahr noch vor Weihnachten eine Entscheidung von Trump fallen. Die muss dann aber, wenn das wirklich stimmt, auch noch vom Senat nächstes Jahr bestätigt werden. Wer dann am Ende Fed-Vorsitzender wird oder vielleicht auch eine Fed-Vorsitzende, das wissen wir nicht und vor allem wissen wir nicht, wie sich dann diejenige Person, wenn sie mal im Amt ist, dann verhält. Also, macht sie dann das, was Trump will, also stark die Leitzinsen senken auf ein Prozent oder macht sie das eben nicht? Das ist so, also eine der ganz großen Fragen für das nächste Jahr. Wir gehen 2026 nur von zwei Zinssenkungen aus, um jeweils 25 Basispunkte, weil wir eben mit einer höheren Inflation rechnen und damit, dass die Fed diesen Spagat versucht. Also Zinssenkung light, würde ich jetzt mal sagen, um ein bisschen dem politischen Druck von Trump auszuweichen, aber eben keine radikalen Zinssenkungen. Aber wie gesagt, an der Stelle ganz wichtig: Das ist keine Prognose für mich im eigentlichen Sinne. Das kann man nicht prognostizieren, das ist eine Annahme.
Nikolaus Barth:
Man muss hier klar in Szenarien denken.
Jetzt gehen wir wieder zurück von jenseits des Atlantiks in heimische Gefilde. Du hast jetzt beschrieben, was bei der Fed passieren könnte. Du hast von Szenarien gesprochen, keine konkrete Prognose. Vielleicht noch ein kurzes Wort zur Europäischen Zentralbank. Erwartest du unveränderte Leitzinsen 2026?
Andreas Rees:
Das kann ich jetzt richtig schön kurz machen, weil die EZB-Prognose, die ist, ich würde mal sagen, angenehm langweilig. Also so, der Leitzins sollte in den nächsten 12 Monaten bei 2% bleiben. Weil die Inflation im Euroraum, die dürfte um die 2% Marke schwanken und deshalb gibt es einfach auch keinen Grund für die EZB, größere Anpassungen vorzunehmen.
Nikolaus Barth:
Natürlich kann man das immer nur sagen, soweit man jetzt sieht.
Christian, wir haben jetzt sehr viel über Leitzinsen gesprochen. Wir haben sehr viel über die wirtschaftliche Entwicklung gesprochen. Welches Potential erwartest du 2026 für die Aktienmärkte?
Christian Stocker:
Spannende Frage, ich denke, 2026 wird unter dem Strich ein weiteres recht positives Jahr sein. Der Kursanstieg dürfte sich jedoch nicht so ruhig entwickeln, wie wir es in diesem Jahr über weite Strecken gesehen haben. Ich rechne schon mit ausgeprägten Schwankungen. Andreas hat ja schon ein paar Probleme angedeutet hinsichtlich Konflikts möglicherweise zwischen China, den USA, mit Entwicklungen in den USA, den Unsicherheiten, die wir da haben. Aber nichtsdestotrotz, die Schwankungen, die wir sehen werden, die bieten natürlich auch gute Chancen, gerade wenn wir in einem Umfeld möglicherweise die Aktienquote erhöhen möchten. Unterm Strich ist es aber so, es wird ein positives Ja sein, die namhaften Indizes werden zwischen 10 und 15% steigen, aber und auch das ist mir wichtig zu betonen, wir werden keinen weiteren Anstieg der Bewertungen haben, keine weitere Bewertungsausweitung an den Aktienmärkten. Das heißt, die Performance im nächsten Jahr wird sich unseres Erachtens ausschließlich auf den Anstieg der Unternehmensgewinne stützen. Also ein weiteres positives Jahr und die Schwankungen kann man sehr gut dazu nutzen, hier den Aktienanteil möglicherweise aufzubauen.
Nikolaus Barth:
Also die Impulse müssen von den Gewinnen, nicht von der Bewertungsauswertung kommen, aber du hast dir sicherlich die einzelnen Regionen angeschaut, die einzelnen Länder. Was ist deiner Meinung nach der Favorit nächstes Jahr, welche Region wird sich am besten entwickeln?
Christian Stocker:
Einen wirklichen Favoriten herauszukristallisieren ist auf den ersten Blick mal schwierig. Wenn man sich die Performance mal anschaut, die ich erwarte, für Europa erwarte ich einen Kursanstieg von rund 10 Prozent, ne? Europa bleibt innerhalb der großen Weltregionen mit dem Wachstum eher mal so am unteren Ende. Für die USA erwarte ich einen Kursanstieg von etwa 15 Prozent, also mehr als für Europa. Aber ein Großteil dieser erwarteten Zuwächse dürfte auch mit einer weiteren leichten US-Dollar-Schwäche aufgezehrt werden. Das heißt, ein wirklich großer Performance-Unterschied zwischen den USA und Europa ist eher mal nicht zu erwarten. Aber, gerade im Zusammenhang mit der weiteren strukturellen Schwäche des US-Dollar ist es mir wichtig zu erwähnen, dass speziell die Emerging Markets ein gewisses Performance-Potenzial haben, das möglicherweise sogar größer ist als für die USA. Weil gerade asiatische Emerging Markets profitieren davon, wenn der US-Dollar schwach bleibt, ja. Traditionell profitieren Emerging Markets von einem schwächeren US-Dollar.
Nikolaus Barth:
Und bei den Schwellenländern kann man ja auch feststellen, dass die in den vergangenen Jahren zumindest darunter auch ein Stück weit gelitten haben, weil die Performance im Vergleich zu Amerika deutlich schlechter war.
Jetzt lass uns von der Region vom Land noch mal zum Sektor gehen, du bist ja auch Experte, was Aktiensektoren betrifft. Welcher Sektor, welche Industrie hat deiner Meinung nach 2026 die Nase vorn?
Christian Stocker:
Ja, ich denke mal, die Technologieunternehmen bleiben ganz, ganz vorne. Insbesondere in den USA werden die sogenannten Mag Seven, das heißt die 7 großen Unternehmen und im weiteren Sinne auch global gesehen alle Unternehmen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz und der damit zusammenhängenden Infrastruktur, wie Rechenzentren und Chiphersteller, ganz, ganz vorne mit dabei sein in der Performance. Und damit schließt sich auch so ein bisschen der Kreis hin zu unseren positiven Erwartungen bezüglich der asiatischen Emerging Markets, weil gerade Südkorea und Taiwan, teilweise auch China, das sind aufstrebende Zentren im Zusammenhang mit KI und gerade die Technologieunternehmen in dieser Region, die sind deutlich günstiger bewertet als in den USA. Das heißt, asiatische Technologieunternehmen, die bieten sich wirklich als eine gute Diversifikation gegenüber den teilweise schon recht hoch bewerteten US-Technologieunternehmen an und wenn man auf Europa schaut, da sehe ich gute Chancen für eine wieder bessere Entwicklung im Automobil und im Chemiesektor. Diese beiden Sektoren haben in diesem Jahr das Schlusslicht in der Performance gebildet. Ich denke, beide Sektoren dürften von der konjunkturellen Aufhellung in Europa profitieren. Und es ist ganz wichtig: Sie zeigen bereits seit Oktober, also seit dem Beginn der Gewinnberichterstattung für das dritte Quartal in diesem Jahr, die stärksten positiven Gewinnrevisionen in Europa, das ist eine wirklich gute Grundlage. Man braucht sicherlich noch einen gewissen Triggerpunkt als Auslöser für eine noch bessere Performance, für eine Outperformance des Automobil- und Chemiesektors, aber diesen Triggerpunkt, den könnte ich mir durchaus im Januar nächsten Jahres mit der Gewinnberichterstattung für das laufende vierte Quartal vorstellen.
Nikolaus Barth:
Das finde ich sehr spannend, da bleiben wir auf alle Fälle dran, aber auch das, was du als erstes gesagt hast, finde ich sehr spannend. Denn gerade letzte Woche, wenn ich das richtig gelesen habe, hat die EZB ja gewarnt und ich zitiere hier – aufgrund der anhaltend hohen Bewertungen und einer zunehmenden Konzentration der Aktienmärkte, dass diese anfällig sein für Korrekturen. Das verbinde ich jetzt mit der künstlichen Intelligenz mit AI. Sehen wir da keine Blase oder ist diese Blase jetzt auf die USA beschränkt?
Christian Stocker:
Zwei Punkte dazu. Aktuell sind wir nicht in der Blase. Die ganzen Investitionen, die die Mag Seven Unternehmen in den USA machen, die können ganz locker vom operativen Cashflow gedeckt werden. Das heißt, die Unternehmen müssten aktuell noch keine Finanzierungen aufnehmen, sie tun es aus verschiedenen Gründen, aber es ist alles noch gedeckt durch den Cashflow. Das ist ein ganz großer Unterschied zu der Entwicklung, die wir im Jahr 2000 hatten, während der letzten großen Blasenbildung im Technologiebereich, da war teilweise der Cashflow deutlich, deutlich niedriger als Investitionstätigkeit. Wenn wir in diesem Bereich kommen sollten, möglicherweise im Jahr 2027, dann werden die Karten natürlich neu gemischt, aber bis dahin sehe ich noch keine Blase und da muss man schon auch sagen, the trend is your friend, wie es an der Börse immer so schön heißt und das wird noch weitergehen.
Nikolaus Barth:
Wir bleiben dran, auch im Rahmen des HVB Markt-Briefings.
Philip, wir haben jetzt von Andreas gehört, wie sich die Notenbanken möglicherweise verhalten werden. Was erwartest du denn 2026 für Entwicklungen am Rentenmarkt, also für die Renditen, vor allem im länger laufenden Bereich?
Philip Gisdakis:
Ja, Nikolaus, noch mal kurz zusammengefasst, die EZB ist durch mit den Zinssenkungen, da werden in Europa vermutlich keine mehr kommen. Die Federal Reserve wird noch ein bisschen senken, schauen wir erst mal auf Europa. Keine weiteren Zinssenkungen erwartet bedeutet, dass vermutlich auch die Renditen am langen Ende nicht mehr sinken werden. Denn das heißt, dass Anleger im Wesentlichen auf der festverzinslichen Seite dann sozusagen mit den laufenden Renditen rechnen können, vermutlich keine Kurssteigerungen, zu mindestens nicht im Basisszenario. Möglicherweise aber auch leichte Renditeanstiege, denn wir haben ja gehört, dass insbesondere die Bundesrepublik Deutschland zusätzliche Anleihen für die Finanzierung der Investmentpakete gegeben wird. Also, da eher ein bisschen vorsichtiger sein. Auf der Seite der USA ist es so, dass zwar die amerikanische Zentralbank die Zinsen weiter senken wird, was wir aber jetzt bei den vergangenen Zinssenkungen schon gesehen haben, ist das mit den sinkenden Zinsen am kurzen Ende die Renditen am langen Ende nicht gefallen sind. Die Fachleute sprechen da von einer steigenden Term Premium oder einer steileren Zinskurve und das ist vermutlich auch das, was weiter so gehen wird. Also das heißt, trotz der erwarteten Zinssenkungen, von denen dann nicht ganz klar ist, wie viele es denn dann tatsächlich werden, gehen wir nicht davon aus, dass hier positive Kurserfolge bei den amerikanischen Anleihemärkten dabei sein werden. Im Gegenteil, wir sehen eher das Risiko, dass die Renditen am langen Ende steigen werden, aufgrund der Sorgen bezüglich Unabhängigkeit Zentralbank, aber auch der Ausweitung der amerikanischen Schulden. Und deswegen sind wir auch für die USA Untergewicht oder den US-Dollar Untergewicht auf der Anleihen-Seite, sowohl europäische als auch amerikanische Anleihen auf Untergewicht.
Nikolaus Barth:
Dann bleiben wir vielleicht ganz kurz mal beim Euro Dollar, was ist denn deine Erwartung, das heißt, wenn ich das richtig raus höre, was du jetzt gerade beschrieben hast, dann gehst du weiterhin davon aus, dass der Euro stärker wird oder habe ich das falsch verstanden?
Philip Gisdakis:
Ja, der schwache US-Dollar war ja ein wichtiger Performance-Treiber für die Portfolios auch auf der Aktienseite, denn der schwache Dollar hat bei den Aktienportfolios auch Performance gekostet. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass der Dollar gegenüber dem Euro schwächer werden sollte. Was aber ganz wichtig ist, ist die Frage, wie schnell wird der schwächer und wie stark wird er schwächer. Und vermutlich ist es so, dass diese Abschwächungs-Abwertungsgeschwindigkeit sich sozusagen eher verlangsamt. Und das bedeutet, dass man nicht zusätzlich absichern muss. Warum nicht? Weil eine Währungssicherung Geld kostet, und zwar die Zinsdifferenz. Und je länger es dann dauert, bis diese Abschwächung kommt oder sich materialisiert, desto länger muss man diesen Hedge halten und desto teurer wird dann dieser Hedge. Wir sind in unseren Portfolios immer noch teilweise gehedged und wir lassen diesen Hedge auch nach wie vor bestehen. Aber wir würden ihn jetzt nicht noch weiter ausbauen.
Nikolaus Barth:
Und wenn wir bei den Renditen und beim Euro-Dollar schon sind, dann müssen wir natürlich auch noch über Gold sprechen. Was ist deine Erwartung für Gold? Geht da eine Rally weiter? Oder wird das auf dem hohen Niveau verbleiben oder vielleicht sogar fallen?
Philip Gisdakis:
Also, Gold ist aus unserer Sicht nach wie vor ein wichtiger Diversifizierer und das mein ich jetzt tatsächlich statistisch gesehen. Denn wenn man sich das mal anschaut, dann sieht man, dass die Korrelation zwischen Gold und zum Beispiel riskanten Assets eher Richtung 0 tendiert. Und das bedeutet, dass diese beiden Assets nicht übermäßig stark korreliert sind. Es gibt Phasen, in denen die Korrelation sogar negativ ist. Dann wäre Gold nicht nur ein Diversifizierer, sondern auch ein Hedge, also eine Absicherung. Ein Hedge ist ja etwas, das im Kurs steigt, wenn etwas anderes fällt. Aber wir würden jetzt Gold nicht im Portfolio belassen, weil wir es als 'nen starken Hedge ansehen, sondern weil es wenig korreliert, ist mit den anderen Assets. Am aktuellen Rand, wir sind gut in Gold investiert, würden wir die Position jetzt erstmal nicht noch weiter ausbauen, aber auch nicht reduzieren. Wir würden das beobachten. Sollten sich jetzt Opportunitäten ergeben, weil zum Beispiel der Goldpreis temporär ein bisschen fällt, dann können wir uns vorstellen, dass wir da auch noch ein bisschen nachkaufen. Also weiterhin Gold wichtig im Portfolio, auch mit einem starken Gewicht im Portfolio, aber kurzfristig würden wir diese Position jetzt nicht noch weiter ausbauen.
Nikolaus Barth:
Zu Gold hast du jetzt schon gesagt, wie ihr euch künftig ausrichten werdet. Wie sieht's denn mit dem Rest der Portfolien aus? Was sind denn da die Schwerpunkte, die du 2026 setzen wirst?
Philip Gisdakis:
Also, ich habe ja schon gesagt, auf der Anleihen-Seite eher untergewichtet und eher die Aktien suchend, das passt auch sehr gut zu dem, was Christian gerade gesagt hat. Auf der Aktien-Seite finden wir insbesondere die Schwellenländer, die Emerging Markets, attraktiv. Aber wir sind auch nach wie vor in den USA und in Europa ganz gut positioniert und wir sind auch bei den KI-Unternehmen ganz gut positioniert, die wir auch weiterhin im Portfolio haben. Allerdings würden wir da jetzt unsere Position, ähnlich wie beim Gold, nicht noch weiter ausbauen. Also, das heißt, Aktien sollten mit einem guten Gewicht im Portfolio dabei sein. Eher die Renten etwas reduzieren, die Anleihen etwas reduzieren und auf der Aktien-Seite insbesondere die Schwellenländer nicht aus dem Auge verlieren, die eher höher gewichten und Gold bleibt nach wie vor im Portfolio und wie ich auch schon gesagt habe, wir lassen aktuell noch unsere teilweise Dollar Absicherung im Portfolio drinnen, auch wenn die Geld kostet, die muss man halt dann laufend überprüfen. Möglicherweise muss man da diese Absicherung reduzieren, weil sie eben Geld kostet, wenn sich die Dollarabschwächung dann nicht mehr so bewahrheiten sollte.
Nikolaus Barth:
Aber nur damit wir es nicht verpassen, europäische Aktien berücksichtigst du trotzdem weiter in den Portfolien, nicht nur Schwellenländer und amerikanische Aktien.
Philip Gisdakis:
Ja, amerikanische, europäische im neutralen Bereich oder alles leicht drüber und die Schwellenländeraktien im Übergewicht.
Nikolaus Barth:
Jetzt muss ich eigentlich zum Schluss noch eine ketzerische Frage stellen. Wir haben jetzt einiges über Prognosen gehört. Ich habe schon beim Andreas gesagt, da war viel Glauben und auch manchmal Hoffen dabei. Wie zuverlässig sind jetzt die ganzen Prognosen? Seid ihr überzeugt davon, dass das 2026 so eintreten wird oder was für Risiken seht ihr da am Horizont möglicherweise kommen?
Andreas Rees:
Ja, vielleicht fange ich mal an, als Volkswirt, wenn ich das jetzt mal so 'n bisschen geschwollen ausdrücken darf, dann würde ich sagen, dass Prognosen konditionale Erwartung geworden sind, also aufgrund der ganzen Unsicherheiten. Also was ich damit meine ist, dass die Prognosen unter bestimmten Annahmen, zentrale Annahmen gelten und diese Annahmen, die muss ich halt einfach treffen, sonst kann ich keine richtige Aussage mehr machen. Früher in der alten Welt, das ist sicherlich richtig, da war das Prognosegeschäft nicht einfach, aber schon deutlich einfacher. Da dominierten die konjunkturellen Zyklen und heute haben wir Konjunktur, aber vor allen Dingen viel Politik und geopolitische Veränderung und die können dann die Konjunkturzyklen überlagern und auch verschieben. Also, insofern Prognosen sind für mich ein Kompass, aber keine Uhr. Das heißt, sie geben Hinweise in welche Richtung Wachstum, Inflation und so weiter tendieren. Aber ich würde es jetzt nicht mehr so verstehen als Punkt- und Timingprognosen, wann genau etwas stattfinden wird. Das ist natürlich zwangsläufig weniger zuverlässig geworden.
Nikolaus Barth:
Also, mehr in Szenarien denken, das ist das, was ich bei dir heute mitnehme. Christian, wie ist es bei dir? Du bist immer ziemlich punktgenau mit deinen Prognosen.
Christian Stocker:
Ja, danke Nikolaus, aber sicherlich Fair Point, wie zuverlässig sind unsere Prognosen? Lass es mich so sagen, ich habe konstruktive Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung der Unternehmensgewinne im kommenden Jahr. Im Vergleich zu den Konsenserwartungen ergeben meine Modelle jedoch etwas niedrigere Wachstumsraten auf der Unternehmensseite. Die Konsenserwartungen, die sind mir da etwas zu optimistisch und vor diesem Hintergrund sehe ich unsere Prognosen für die Aktienmärkte von einer Performance zwischen 10% und 15%, je nach Region, durchaus als realistisch an.
Nikolaus Barth:
Also das Ziel ist klar, der Weg dorthin kann steinig sein.
Philip, wie ist es bei dir, wie sicher kannst du dir sein mit dem, was du gesagt hast für nächstes Jahr?
Philip Gisdakis:
Ja, also zunächst einmal, bei den Prognosen habe ich hier als Portfoliomanager die einfachste Rolle, weil die Punktprognosen spielen für unsere Anlagestrategie keine besonders große Rolle, denn ob jetzt die Outperformance der Aktien gegenüber den Anleihen beispielsweise 3%, 5% oder 10% ist. Das lassen wir mal auf uns zukommen. Wenn es eine Outperformance ist und auch so bleiben sollte, dann bleiben wir einfach investiert. Das heißt für uns spielt eine große Rolle, ob wir konstruktiv sind, und das sind wir. Das würde bedeuten eben, dass wir Aktien gegenüber den Anleihen bevorzugen, und dann würden wir das einfach so weit laufen lassen, bis wir neue Informationen sehen, dass sich unsere Einschätzung ändert und wir sind tatsächlich gut überzeugt davon, dass diese Strategie funktioniert. Deswegen bevorzugen wir Aktien gegenüber Anleihen, aber wir sind jetzt auch nicht so optimistisch, dass wir eine sehr, sehr große optimistische Position im Portfolio einbauen. Also, unser Übergewicht ist jetzt nicht extrem groß, sondern ein paar Prozent drüber. Und das reicht meiner Meinung nach auch schon.
Nikolaus Barth:
Ich nehme so ein bisschen heute mit, dass es wichtig ist, dass wir im Gespräch bleiben, und das werden wir nächstes Jahr natürlich, so viel darf ich Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, versprechen, auch bleiben, wenn Sie uns treu bleiben beim HVB-Marktbriefing. Und ich glaube, 2026 wird alles außer langweilig. Ich blicke sehr gespannt auf dieses neue Jahr.
Vielen Dank, Philip. Vielen Dank, Andreas und vielen Dank, Christian, dass ihr eure Erkenntnisse heute mit uns geteilt habt. Wir freuen uns jetzt von Ihnen auf Feedback, Ihre Fragen oder Kommentare. Die können Sie uns gerne auch per E-Mail schicken unter markt-briefing@unicredit.de.
Und es verabschieden sich: Andreas Rees, Philip Gisdakis, Christian Stocker und Nikolaus Barth. Alles Gute.