Wann kommt die ‚Bazooka‘ (endlich) in der Wirtschaft an?
Andreas Rees:
Wir erwarten im nächsten Jahr ein Wachstum für Deutschland von rund 1,25 %. Der Wachstumseffekt der Bazooka der wird sich im Zeitverlauf allmählich, aber stetig aufbauen.
Philip Gisdakis:
Aber natürlich ist es so, dass zusätzlich eine relativ große Menge an deutschen Bundesanleihen auf den Markt kommen würde.
Die dann eben auf Nachfrage treffen muss und das dürfte natürlich die Renditen etwas nach oben treiben und das tut es ja bereits jetzt. Also es wird ein bisschen teurer werden, aber leisten können wir uns das alle mal.
Nikolaus Barth:
Herzlich willkommen zur neuesten Ausgabe des HVB Markt-Briefings. Mein Name ist Nikolaus Barth. Ich bin Wertpapier- und Börsenexperte bei der HypoVereinsbank und begrüße Sie sehr herzlich zu dieser Folge. Wann kommt die Bazooka endlich in der Wirtschaft an? Im Frühjahr waren die Hoffnungen groß, dass die fiskalische Bazooka die Wirtschaftswende in Deutschland einläutet.
Jetzt im Herbst ist es still geworden um sie. Wo stehen wir? Wie funktioniert die Bazooka eigentlich? Was bringt sie an Wachstum 2026 und in den Folgejahren? Und welche Klippen müssen wir umschiffen damit sie endlich Wirkung zeigt? Darüber möchte ich heute sprechen mit Dr. Andreas Rees, Chefvolkswirt der HypoVereinsbank hier in Deutschland, und Dr.
Philip Gisdakis, Chefanlagestratege im Haus der HypoVereinsbank. Schön, dass ihr heute wieder für uns Zeit habt.
Andreas Rees:
Hallo, grüß euch.
Philip Gisdakis:
Hallo, ich grüße euch.
Nikolaus Barth:
Ja, ich würde sagen, die Stimmung passt aktuell zum Wetter. Der Herbst ist da. Die letzte Woche kam auch die Nachricht, dass wir im Sommerquartal kein Wachstum zu verzeichnen haben.
Seid ihr auch schon in Herbststimmung?
Andreas Rees:
Ja, so ein bisschen. Aber ja, die Zeit rast ja und Bald ist schon Weihnachten denke ich. Also wir sind gerade schon mit dem Jahresausblick 2026 beschäftigt.
Philip Gisdakis:
Herbst ist Bergsteig-Saison und das ist immer schön.
Nikolaus Barth:
Das ist doch konstruktiv. Wir wollen uns ja heute über die Bazooka unterhalten.
Und ich habe mir das Bundesgesetzblatt nochmal angeschaut und die Rahmenbedingungen in Erinnerung gerufen. Der Bund kann ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro auflegen und über zwölf Jahre bewilligen. Davon gehen 100 Milliarden an die Länder und 100 Milliarden werden für den Klima und Transformationsfonds reserviert.
Zusätzlich gibt es eine Aussetzung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben, die ein Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts übersteigen. Andreas, wo stehen wir aktuell bei der fiskalischen Bazooka?
Andreas Rees:
Ja, also Nikolaus, der Bundeshaushalt für 2026, der muss ja noch verabschiedet werden. Aber die mehrjährige Finanzplanung des Bundes, die steht als grobe Orientierungsgröße und die Gelder der Bazooka verteilen sich ja über viele Jahre und die Finanzplanung steht jetzt zumindest bis zum Jahr 2029. Bis dahin sollen die jährlichen Ausgaben für Verteidigung auf bis zu rund 150 Milliarden Euro steigen.
Das ist fast eine Verdoppelung im Vergleich zum aktuellen Stand. Also Hintergrund ist natürlich die Erreichung des NATO-Ziels von dreieinhalb Prozent des BIP bis 2029. Und dann haben wir noch die jährlichen Ausgaben für Infrastruktur, Klimaschutz und Transformation, die steigen auf rund 70 Milliarden Euro pro Jahr bis 2029.
Also das sind alles Ausgaben des Bundes. Du hast schon gesagt, die Bundesländer erhalten auch Geld von der Bazooka. Diese 100 Milliarden Euro. Und im Moment sind die Bundesländer gerade dabei zu entscheiden, was davon sie behalten und was an die Kommunen fließt. Es gibt natürlich Unterschiede von Bundesland zu Bundesland, aber typischerweise gehen so ungefähr 60 bis 70 Prozent dieser 100 Milliarden Euro dann an die Kommunen.
Nikolaus Barth:
Also zunächst muss man ja sagen, die Summen klingen zumindest für mich gigantisch. Jetzt hast du ja gesagt, die Kommunen bekommen auch ein Stück weit Geld über die Länder. Macht diese Umleitung der Gelder an die Kommunen Sinn oder ist das nicht einfach viel zu bürokratisch?
Andreas Rees:
So auf den ersten Blick klingt ja alles erst einmal ziemlich bürokratisch.
Das hängt halt damit zusammen, dass der Bund die ganzen Gelder am Kapitalmarkt aufnehmen wird und dann an die Länder verteilt und die Länder verteilen es dann wiederum an die Kommunen. Aber ökonomisch macht das absolut Sinn, würde ich sogar sagen, weil Deutschland ist ein föderaler Staat, bei dem die Kommunen eine wichtige Rolle bei den staatlichen Investitionen spielen. Einfach mal eine Zahl: ungefähr 60 Prozent der öffentlichen Altbauten befinden sich im Besitz der Kommunen, also das sind Schulen, Krankenhäuser, auch ein Großteil der Straßen ist dabei und die Kommunen konnten ja in den letzten Jahren sehr wenig investieren. Die Nettoinvestitionen die sind in den letzten 20 bis 25 Jahren sogar sehr stark geschrumpft. Also die Abnutzung der Infrastruktur war viel stärker als das, was in die Infrastruktur reingesteckt worden ist.
Also ich glaube, das kennt jeder aus der eigenen Anschauung. Also es ist dringend notwendig, dass die Kommunen investieren können. Und diese 60 bis 70 Milliarden Euro, die sie jetzt bekommen, die werden nach meiner Einschätzung wahrscheinlich am Ende nicht ausreichen. Denn die Nettoinvestitionen die sind allein in den letzten 20 Jahren um ungefähr 90 Milliarden Euro zurückgegangen.
Also das ist schon eine Wucht. Aber wichtig ist natürlich erst einmal, dass die Gelder überhaupt fließen und dass sie dann hoffentlich bald genutzt werden.
Nikolaus Barth:
Okay, trotz dieser Summen vielleicht zu wenig und wir haben gehört, die Gelder müssen erst mal fließen vom Bund. Teilweise an die Länder, teilweise an die Kommunen.
Wann kommen die Gelder denn bei den Unternehmen an?
Andreas Rees:
Das ist natürlich im Moment zumindest so die absolute Königsfrage. Und im Kern geht es dabei um die Geschwindigkeit also wie schnell der Staat dann die Gelder in konkrete Ausgabenprojekte umsetzen kann. Also wir reden hier über so Sachen wie Planungs- und Genehmigungsverfahren für militärische Güter, aber auch gerade für die Infrastruktur.
Wenn man sich jetzt die Vergangenheit anschaut ich weiß, das klingt jetzt furchtbar abschreckend, aber ich sage es jetzt trotzdem einfach mal, in der Vergangenheit hat es wirklich quälend lange gedauert die Zeitdauer für den Bau von Straßen und Schienen die belief sich so im Durchschnitt auf 10 bis 20 Jahre und das ist wohlgemerkt die reine Bauzeit mit den Genehmigungsverfahren ohne die Gerichtsverfahren.
Also das hat schon sehr, sehr lange gedauert. Jetzt glücklicherweise die Anstrengungen laufen, damit die Genehmigungsverfahren deutlich schneller werden. Also Stichwort Bauturbo, Rüstungsturbo und Infrastrukturturbo. Die sollen also noch folgen. Die beiden letzten der Bauturbo, der ist ja schon vom Bundestag verabschiedet worden.
Aber damit allein wird es wohl nicht getan sein, denn die Verwaltungsabläufe, die sollten idealerweise auch noch durch Digitalisierung und auch noch durch eine Standardisierung der Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand beschleunigt werden. Also jetzt nochmal ganz konkret zu deiner Frage, Nikolaus: „Wann kommen jetzt die Gelder bei den Unternehmen endlich an?“
Ich denke, die ersten Aufträge, die werden im weiteren Jahresverlauf 2026 den Unternehmenssektor erreichen. Die Vergabe der Aufträge, das wird bei aller Beschleunigung, das wird Zeit brauchen. Aber was uns gerade jetzt am Anfang helfen wird, ist, es gibt ja schon einige Projekte, die liegen in der Schublade beziehungsweise die sind in der Pipeline.
Also wir fangen jetzt nicht bei absolut null an. Aber ich würde trotzdem ausdrücklich davor warnen wollen, dass man jetzt eine sehr rasche Wirkung der Bazooka annimmt. Das wird sich im Zeitverlauf graduell aufbauen.
Nikolaus Barth:
Dann hoffen wir darauf, dass möglichst viel in der Schublade liegt. Haben denn die Unternehmen überhaupt die Kapazitäten, um neue Aufträge zu übernehmen?
Ich denke da vor allem jetzt an den Bausektor, den du ja auch schon erwähnt hast.
Andreas Rees:
Nikolaus, also da sage ich jetzt mal ganz klar Jein, weil es gibt große Unterschiede je nach Baubereich. Also man muss wirklich genau hingucken. Aber wenn ich mir jetzt erstmal so das angucke aus dem Vogelblick eines Volkswirts die Kapazitätsauslastung im Bausektor insgesamt in Deutschland liegt aktuell bei rund 70 Prozent.
Also da gibt es schon insgesamt Luft nach oben. Allerdings ist das eben ziemlich verschieden. Im Tiefbau zum Beispiel sind relativ wenig Kapazitäten frei, wenn überhaupt. Also das ist auch das, was uns die Kund:innen erzählen. Im Hochbau, da schaut es schon etwas besser aus. Aber natürlich der Arbeitskräftemangel im Bausektor, das ist natürlich ein Thema.
Die Frage ist auch, ob man nicht auch noch Produktivitätsreserven im Bausektor heben kann. Denn wenn man sich mal die Produktivitätsentwicklung anschaut in den letzten zehn Jahren, da ist das im Schnitt nahezu unverändert geblieben. Da gibt es auch Positivbeispiele im europäischen Ausland, wo es relativ stark angestiegen ist.
Zum Beispiel in den Niederlanden konnte man deutliche Produktivitätszuwächse im Bausektor erzielen, unter anderem durch Standardisierung beim Bau von Häusern oder von Straßen oder auch durch Digitalisierung. Also wenn wir das hinkriegen solche Produktivitätszuwächse in Deutschland, dann würde auch das Problem der Kapazitäten und das Problem des Arbeitskräftemangels dann sich etwas abmildern.
Nikolaus Barth:
Also auf in die Niederlande und von Ihnen lernen. Wie viele Wachstumspunkte bringt die Bazooka jetzt für die deutsche Wirtschaft 2026?
Andreas Rees:
Vor der Frage habe ich mich jetzt schon die ganze Zeit gefürchtet. Das ist natürlich eine sehr legitime Frage, wenn man über die Bazooka redet und es ist ja auch, muss ich fairerweise sagen, Teil meines Jobs, das zu beantworten.
Aber wenn ich jetzt ganz ehrlich bin, so ganz genau lässt sich das im Moment nicht beziffern weil wir halt einfach nicht wissen, was an neuen Projekten sozusagen auf die Straße und Schiene gebracht werden kann, vor allen Dingen im nächsten Jahr. Jede Schätzung oder Prognose, die würde ich mit Vorsicht genießen, zumindest im Moment.
Also wir erwarten im nächsten Jahr ein Wachstum für Deutschland von rund ein und ein Viertel Prozent und davon dürfte auch die Bazooka ganz ordentlich ihren Beitrag leisten. Aber wie viel das jetzt genau ist, das bleibt halt schon noch abzuwarten. Vermutlich wird der Wachstumseffekt der Bazooka im Zeitverlauf größer werden, weil dann auch immer mehr Projekte umgesetzt werden können.
Also der Wachstumsbeitrag der Bazooka der wird 2027 sicherlich höher sein als 2026 und vermutlich wird 2028 stärker sein als 2027. Also der positive Effekt, der wird sich vermutlich im Zeitverlauf Allmählich, aber stetig aufbauen.
Nikolaus Barth:
Aber dann nehmen wir doch jetzt einfach mal mit. Das Wachstum wird nächstes Jahr besser als in diesem Jahr. Wobei das fast kein Wunder ist bei einem Nullwachstum. Philipp, wir haben jetzt viel über die Wachstumsperspektiven der deutschen Wirtschaft gesprochen und uns auch nochmal den Transformationsmechanismus der Bazooka sozusagen angeschaut, vom Bund zu den Ländern, zu den Kommunen, zu den Unternehmen.
Jetzt gibt es ja sicherlich auch die ein oder anderen Risiken, die man berücksichtigen muss. Welche Auswirkungen beispielsweise wird denn die Bazooka auf die Rentenmärkte haben? Die deutsche Staatsverschuldung dürfte ja spürbar steigen das haben wir schon gehört. Wir haben die Dimension der Bazooka schon umrissen. Könnte das denn im späteren Verlauf ein Problem werden?
Philip Gisdakis:
Ja,zunächst mal ist zu sagen, dass die Rentenmärkte natürlich von vielen Faktoren getrieben werden, Angebot und Nachfrage. Zu diesen Faktoren gehören natürlich dann auch so fundamentale Faktoren wie Risiko- oder Schuldentragfähigkeit eines Landes mit dazu.
Das macht mir allerdings bei Deutschland jetzt keine besonders großen Sorgen.
Ich habe eine ganz einfache Rechnung dazu, nur um die Größenordnung mal darzustellen. Und natürlich ist das ein viel zu einfaches Modell, um jetzt tatsächlich detaillierte Rückschlüsse daraus zu ziehen.
Aber nehmen wir mal an, die deutsche Wirtschaftsleistung aktuell etwa 4.000 Milliarden Euro im Jahr. Nehmen wir mal an, das sind 5.000 dann haben wir nämlich eine Zahl, mit der man leichter rechnen kann. Und damit meine ich natürlich nominal, also inklusive Inflation. Bei 5.000 Milliarden und einer aktuellen Schuldenquote von ungefähr 60 Prozent wären das 3.000 Milliarden Schulden, die der deutsche Steuerzahler sozusagen hat. Jetzt nehmen wir mal an wir inflationieren diese Wirtschaftsleistung auf zehn Jahre ohne ein Realwachstum nur mit der Zielinflation der EZB von zwei Prozent. Das wären dann ohne Zinseszinseffekte 20% mehr. Die Zahl habe ich so gewählt, weil man das eben bei 5.000 Milliarden einfach rechnen kann. Dann wären wir in zehn Jahren bei einer Wirtschaftsleistung von 6.000 Milliarden Euro und wenn dann die Verschuldungsquote um knapp 2.000 Milliarden steigen würde, also von 3.000 auf knapp 5.000 Milliarden, dann wären das eine Schuldenquote von 80% der dann in Zukunft gültigen Wirtschaftsleistung. Was ich damit sagen will, ist, wenn die deutsche Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren nur mit der Zielinflation der EZB wachsen würde, also nominal wachsen würde, kein Realwachstum hätte und der Verschuldungsgrad von 60 Prozent auf 80 Prozent steigen würde, dann würden da sozusagen fast 2.000 Milliarden zusätzliche Schulden rauskommen.
Was ich damit sagen will, ist, diese zusätzlichen Schulden, die wir jetzt sozusagen aufbauen werden, die sind zumindest aus Stabilitätsgesichtspunkten kein großes Problem. Die können wir uns leisten. Aber natürlich ist es so, dass, weil du ja nach den Rentenmärkten gefragt hast, eine relativ große zusätzliche Menge an deutschen Bundesanleihen auf den Markt kommen würde, die dann eben sozusagen auf Nachfrage treffen muss und das dürfte natürlich die Renditen etwas nach oben treiben und das tut es ja bereits jetzt. Denn die Renditen sind in diesem Jahr ja auch schon ein Stückchen gestiegen und das würden sie vermutlich auch weiter tun. Also es wird ein bisschen teurer werden, aber leisten können wir uns das alle mal.
Nikolaus Barth:
Und die Nachfrage gibt es auch, nach den Staatsanleihen dann?
Philip Gisdakis:
Und die Nachfrage gibt es auch. Ich würde sagen, das Land, das sozusagen darunter leiden würde, sind die USA. Denn sehr viele Investoren in Deutschland, die bisher sozusagen ein Problem hatten, Material zu bekommen, also Anleihen, in die man investieren kann, die haben US-Treasuries gekauft. Und ich würde sagen, dass ein großer Teil dieser Geldflüsse, die bisher in die USA geflossen sind, dann eben in deutschen Staatsanleihen angelegt werden würden.
Nikolaus Barth:
Also die Nachfrage scheint kein Problem zu sein, die Schuldenquote auch kein Problem. Dann kommen wir nochmal zurück zu dir, Andreas. Jetzt haben wir viel über den Staat gesprochen und den Willen des Staates zumindest mehr zu investieren.
Werden denn dadurch auch Investitionen von Unternehmen angeregt und diese steigen?
Andreas Rees:
Ich glaube schon, dass auch die privaten Investitionen im Zeitverlauf etwas zulegen werden, aber da sind wir wieder beim Thema Unsicherheit. Die Stärke dieses Effekts, die wird natürlich ganz stark davon abhängen, ob es neben dem staatlichen Geldausgeben auch Strukturreformen geben wird, was ja viele Unternehmen fordern und was, glaube ich, wichtig ist, damit die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft besser werden.
Und je besser die Rahmenbedingungen, umso stärker wäre dann auch der positive Sog für die Privatwirtschaft. Aber es gibt schon Bereiche, wo ich denke, da gibt es auf jeden Fall Potenzial für mehr Privatinvestitionen durch die Bazooka. Also ein ganz konkretes Beispiel, Gewerbeimmobilien im Bereich Lagerwesen und Logistik. Also die sollten wirklich schon von der Bazooka profitieren. Oder ein anderes Beispiel, die Modernisierung und die Erhöhung der Sicherheit der kritischen Infrastruktur, wie zum Beispiel Energie, da halte ich zusätzliche private Investitionen für sehr wahrscheinlich. Und deshalb wird die Bazooka auch einen gewissen Multiplikator-Effekt haben.
Nikolaus Barth:
Philipp hat das Thema Inflation ja schon angesprochen. Bringt die Bazooka am Ende nicht auch viel mehr Inflation?
Andreas Rees:
Ja, also das ist etwas, was ich häufig lese. Aber ganz ehrlich, ich finde diese Aussage viel zu pauschal. Ich glaube jetzt nicht, dass wir gesamtwirtschaftlich einen starken Anstieg der Verbraucherpreise sehen, werden durch die Bazooka, aber natürlich da, wo es Unternehmen und Privathaushalte durch einen Kostenanstieg schon treffen könnte, das ist zum Beispiel der Baubereich.
Wenn es keine zusätzlichen Kapazitäten aufgebaut werden können oder nicht die Produktivität gesteigert werden kann, dann könnten die Kosten in dem spezifischen Bereich wirklich schon steigen. Also einen generell starken Inflationsschub den sehe ich jetzt nicht, aber in Teilbereichen ist das schon durchaus möglich, ja.
Nikolaus Barth:
Also wir haben gehört, die Bazooka wirkt, aber es dauert ein bisschen länger als wir das vielleicht erhofft haben. Wir haben von Philipp auch schon die Einschätzung zu den Rentenmärkten gehört. Jetzt wechseln wir mal von den Rentenmärkten zu den Währungen, Philipp. Wie sieht das denn mit dem Euro aus? Der US-Dollar hat dieses Jahr deutliche Schwächen gezeigt.
Diese Entwicklung wurde zum Teil mit der steigenden US-Staatsverschuldung begründet. Könnte das auch ein Thema für den Euro werden?
Philip Gisdakis:
Also auch für die Währung gilt dasselbe wie für die Rentenmärkte. Die werden von vielen unterschiedlichen Faktoren mitgetrieben. Die Staatsverschuldung kann eine Rolle spielen.
Die Staatsverschuldung alleine war jetzt auch nicht der treibende Faktor bei dem schwächeren US-Dollar dieses Jahres.
Sonst spielt eine ganze Reihe von anderen Faktoren noch mit eine Rolle. Aber was ganz wichtig ist, das hat ja auch Andreas gesagt, die große Frage ist natürlich, wofür denn diese zusätzlichen Staatsschulden ausgegeben werden und ob damit Projekte finanziert werden können, die eben ein nachhaltiges Wachstum bringen.
Ich glaub, ich möchte hier noch einen anderen Gedanken reinbringen. Denn ein größerer Markt an sicheren deutschen Staatsanleihen, wenn das Geld sinnvoll ausgegeben wird, könnte sich sogar positiv auf den Euro auswirken. Warum? Weil es bedeuten würde, dass das Volumen an sicheren Anleihen im Euro-Raum steigt und damit eine Möglichkeit gibt, globale Kapitalflüsse, die eben sichere Häfen suchen, dann eben diese Anleihen sich auswählen zum Beispiel auch als Ersatz für US-Treasuries, die bisher immer das Problem haben, dass zwar deutsche Staatsanleihen als sehr sicher galten, aber es nur sehr wenige davon gab.
Nikolaus Barth:
In diesem Zusammenhang haben wir ja in der letzten Ausgabe des HVB Markt-Briefings über den Debasement-Trade gesprochen, den man mit Entwertungs-Trade übersetzen könnte. In der Zwischenzeit haben Gold und Silber sich von ihren Höchstständen deutlich entfernt. Sind das jetzt einfach Gewinnmitnahmen oder hat dich die Entwicklung auch in ihrer Geschwindigkeit überrascht?
Philip Gisdakis:
Zunächst mal glaube ich, dass es zu einem Großteil tatsächlich Gewinnmitnahmen waren. Dann wurde der letzte starke Anstieg des Goldpreises auch durch Unsicherheiten im globalen Handel, weitere Drohungen, Zölle 100% auf chinesische Waren aufgrund der Restriktionen Chinas bei seltenen Erden verhängt.
Das wird jetzt alles weniger heiß gegessen als es gekocht wurde und damit sind da auch so ein paar Faktoren mit rausgekommen, die eben sehr unterstützend gewirkt hat. Generell muss man sagen, dass dieser sogenannte Debasement-Trade vermutlich immer noch einen Lauf haben wird, aber diese jüngste Entwicklung, die eben da ganz schnell nach oben gegangen ist, war einfach ein bisschen zu viel.
Nikolaus Barth:
Aber sind die jetzigen Niveaus Einstiegslevel für dich?
Philip Gisdakis:
Also für einen strategischen Kauf, wenn man noch nicht investiert ist, sieht es schon ein bisschen arg teuer aus. Wir sind nach wie vor in der Vermögenshaltung investiert. Wir sind auch nach wie vor im Übergewicht aber wir diskutieren natürlich immer wieder darüber, wann es ein Zeitpunkt sein könnte, das mal ein bisschen zu rebalancen und in diesem Fall sozusagen ein wenig Gewinne mitzunehmen, denn wie gesagt, es ist schon sehr, sehr gut gelaufen.
Und ich sage jetzt mal, so katastrophal sieht der Wirtschaftsausblick für die nächsten Jahre ja nicht aus. Der sieht ja eigentlich relativ konstruktiv aus.
Nikolaus Barth:
Er sieht konstruktiv aus. Kommen wir zurück zu den Unternehmen, kommen wir zu den Aktienmärkten, was bedeuten denn die Investitionen der Bazooka für die Aktien?
Philip Gisdakis:
Also generell ist es natürlich so, wenn das Kapital richtig eingesetzt werden würde und es zu Wirtschaftswachstum führen würde und es auch dazu führen würde, dass Unternehmen neue Geschäftsmodelle entwickeln können, Geschäftsaktivitäten entwickeln können, dann wäre das natürlich für die Wirtschaft gut, aber auch für die Aktienmärkte insgesamt gut.
Und das sieht man ja auch anhand der Erwartungen, die an die Aktienmärkte gestellt werden, insbesondere an die Unternehmen, nämlich an das Gewinnwachstum. Das sieht sowohl für amerikanische Unternehmen vernünftig aus als auch für europäische Unternehmen. Da gehören natürlich insbesondere deutsche Unternehmen dazu, die sehr viel konkreter von der Bazooka profitieren dürften, aber natürlich auch im weiteren Sinne europäische Unternehmen, die auch davon profitieren. Die aber nicht nur direkt profitieren, sondern vermutlich auch von einer Rückkehr eines Wachstumstrends auch in Europa.
Und das ist, glaube ich, der wesentliche Faktor für Anlegerinnen und Anleger, dass wenn die Wirtschaft in Europa wieder Tritt fast wir wieder Wachstumsraten haben werden, die nahe des Potenzialwachstums sind, dann wäre das etwas, was strukturell natürlich unterstützend für die Aktienmärkte in Europa wäre.
Nikolaus Barth:
Lass uns da etwas in die Details gehen. Welche Branchen könnten denn zu den Gewinnern gehören?
Philip Gisdakis:
Also zu den detaillierten Branchen gehören natürlich insbesondere solche Branchen, die direkt davon profitieren. Und da ist zunächst einmal ganz klar aufgrund der Verteidigungskomponente bei diesen Paketen die Rüstungs- und Verteidigungsindustrie zu nennen. Die ganzen geopolitischen Risiken und Unsicherheiten, die das begleitet, sind natürlich da sozusagen Rückenwind.
Auf der anderen Seite muss man sagen, dass viele dieser Unternehmen, gerade solche die börsengelistet sind, natürlich schon deutliche Kursanstiege gezeigt haben. Da muss man sich natürlich anschauen, was dann zusätzlich darüber hinaus noch notwendig ist. Und neben dieser Rüstungs- und Verteidigungsindustrie ist natürlich die Industrie zu nennen die, sehr unmittelbar von Bau- und Infrastrukturausgaben profitieren würde.
Also Bauunternehmen, Baustoffhersteller, Rohstoffdienstleister, die damit zu tun haben, aber auch so Dinge wie Gebäudetechnik. Der Infrastrukturfonds soll ja auch den Wohnungsbau oder die Gebäudesanierung entsprechend unterstützen. Alle Unternehmen, die damit zu tun haben, können natürlich auch davon profitieren. Dann haben wir immer noch im weiteren Sinne so Themen wie die E-Mobilität, also Ladeinfrastruktur, auch E-Autos werden durch eben relativ hohe Abschreibungen für betriebliche E-Fahrzeuge unterstützt, Kfz-Steuerbefreiungen etc. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur, Wasserstofftechnologie, alles das können Branchen sein, die davon profitieren.
Und dann gibt es ja nicht nur den klassischen Infrastrukturteil, sondern auch Unterstützungsthemen für Biotechnologie, Pharma, aber auch, wir haben das zuletzt gehört, im Zusammenhang mit AI, Mikroelektronik also zum Beispiel Rechenzentren, da werden natürlich sehr viel mehr in den USA gebaut, aber auch in Europa und in Deutschland wird es zusätzliche Rechenzentren geben. Und dann natürlich, wenn es uns gelingt unsere Energieinfrastruktur auf Vordermann zu bringen, dann wäre das natürlich auch wieder Unterstützung für energieintensive Industrien, also Chemie, Stahl, Kunststoffindustrie. Und dann natürlich alles sozusagen zusammenfassend gerade in Deutschland, der Mittelstand, Handwerk, alle diese Unternehmen, die werden von einer Baukonjunktur profitieren und natürlich dann auch Unternehmen, die eben Dienstleistungen an diese Unternehmen richten zum Beispiel IT-Infrastruktur, Computer etc., Fahrzeuge, Lieferfahrzeuge. Also das ist dann schon ein relativ breit gefasstes Thema, wenn das gut funktioniert.
Nikolaus Barth:
Das hört sich nach jeder Menge Chancen an. Neulich hast du in der Süddeutschen Zeitung ein Interview gegeben und gesagt, dass es sinnvoll sein könnte, sich in Aktien von Unternehmen zu engagieren, die am Rohstoffmarkt aktiv sind.
Diese Unternehmen gehören folglich auch zu deiner Aufzählung?
Philip Gisdakis:
Ja, da hast du recht und in diesem Interview ging es aber um eine leicht andere Perspektive nämlich um die Frage, ob Rohstoffe ein interessantes Investment sind, also die Rohstoffe direkt. Und da spielt natürlich eine Rolle, dass Rohstoffe für Privatanleger oder eben auch institutionelle Anleger immer ein bisschen schwierig zu investieren sind, weil die dann eben meistens über Warenterminbörsen gehen. Wir haben ja alle keine Läger, keine Tanks wo wir sozusagen irgendwie Rohstoffe kaufen und dann lagern können.
Nikolaus Barth:
Wenn ich jetzt einmal zusammenfasse, was du in den letzten Minuten gesagt hast, dann klingt das für mich sehr optimistisch. Sehr viele Chancen, es gibt aber sicherlich auch Risiken. Lass uns doch mal draufschauen.
Was sind denn die kurz-, mittel und langfristigen Risiken, die du dir vorstellen kannst?
Philip Gisdakis:
Was sind die kurzfristigen Risiken? Die kurzfristigen Risiken liegen daran, dass wir in den USA immer noch ein Umfeld haben, in dem alle erwarten, dass die Wirtschaft sich jetzt im laufenden vierten Quartal weiter abkühlen wird, belasteter Arbeitsmarkt etc.
Also das Wirtschaftswachstum in den USA wird im vierten Quartal vermutlicherweise niedriger sein als im dritten Quartal. Und wir wissen nicht genau, bis wohin geht das und welche weiteren Effekte hat das. Zusätzlich kommen natürlich gerade auch in den USA in den vergangenen Tagen und Wochen Nachrichten bezüglich Pleiten von großen Unternehmen, die da die Stimmung belasten, die auch dann zum Teil auf den lokalen mittelgroßen Bankenmarkt sich ausgewirkt haben.
Das sind so kurzfristige Risiken, die wir im Moment gerade haben. Die Wirtschaft in den USA kühlt sich etwas ab, sie wird sich nicht abkühlen bis auf ein Negativwachstum, das erwartet eigentlich kaum jemand, aber wir wissen eben nicht, welche Folgen das kurzfristig nach sich ziehen kann. Dann ist es natürlich, wenn man ein bisschen weiter schaut ins nächste Jahr hinein der Markt erwartet, dass es dann nächstes Jahr aufwärts geht, dass das Wachstum sich in Europa beschleunigt, dass das Wachstum sich dann von einem niedrigeren vierten Quartal in den USA beschleunigen wird.
Und diese Wachstumserwartungen, die können natürlich enttäuscht werden. Das ist also ein weiteres Risiko, denn diese Wachstumserwartungen, die führen, wie ich schon gesagt habe, zu Erwartungen, dass die Gewinne der Unternehmen steigen und die sind ja zum Teil auch schon eingepreist. Und wenn es da eben Enttäuschungen gibt, dann kann es eben zu Kursrücksetzern kommen.
Und dann sprechen wir natürlich auch über strategische Risiken, Abhängigkeiten Europas von essentiellen Lieferungen aus China. Kriegen wir hier weitere Lieferengpässe? Kommt hier nochmal so etwas wie in der Nach-Corona-Zeit, Lieferkettenengpässe für Chips etc.? Und dann haben wir immer noch, wenn man jetzt länger in die Zukunft guckt, eben einen großen Umbau der Welthandelsketten, der Lieferketten.
Und gerade deutsche Industrie hängt ja sehr stark von dem globalen Handel und auch von effizienten Lieferketten ab. Und daraus resultieren natürlich auch Risiken für einzelne Unternehmen. Können wir wieder Tritt fassen? Werden unsere Geschäftsmodelle sich anpassen können an diese Veränderungen? Alles das kann eben zu Chancen aber auch zu Risiken führen. Worüber ich jetzt gesprochen habe, sind Risiken nicht Basisszenarien. Unser Basisszenario für das nächste Jahr und auch für 2027 ist eben, dass die Wirtschaft wieder Tritt fassen wird. Vermutlich noch keine gigantischen Wachstumssteigerungen zeigen wird, aber dass es eben besser wird als in den vergangenen Jahren und dass das eben auch an den Aktienmärkten und an den Kapitalmärkten sichtbar sein wird.
Nikolaus Barth:
Vielen Dank Philip, vielen Dank Andreas für eure Perspektiven. Die Bazooka lebt Sie kommt, aber es dauert, bis sie wirkt. Das nehme ich aus dem heutigen Gespräch mit. Grund für Zuversicht vor allem für das Wirtschaftswachstum in Deutschland von 2026 und folgenden Jahren, besteht trotzdem. Wir haben über die Chancen für einige Branchen gesprochen, aber auch über die globalen Risiken.
Wir freuen uns über Ihre Fragen, Ihre Kommentare und Impulse Gerne auch per E-Mail unter markt-briefing@unicredit.de.
Und natürlich freuen wir uns auch, wenn Sie das HVB Markt-Briefing weiterempfehlen und abonnieren. Freuen Sie sich auf ein Wiederhören mit Titus Kroder und spannenden Themen und wir hören uns, wenn Sie mögen auch wieder bei der nächsten Gelegenheit. Das HVB Markt-Briefing steht unter dem Motto „Mitdenken für kluge Köpfe“.
Wir danken Ihnen heute fürs Zuhören und Mitdenken und es verabschieden sich Philip Gisdakis, Andreas Rees, Nikolaus Barth.