Die Ruhe an den Devisenmärkten ist vorbei. Berg- und Talfahrten von Landeswährungen sind inzwischen an der Tagesordnung. Die Schwankungsbreite der Kurse ist so groß, dass das Währungsrisiko im schlimmsten Fall die gesamte Marge kosten kann. Wer sich dagegen wappnen will, muss sein Hedging professionalisieren, erklärt Johannes Kannwischer, Währungsspezialist der UniCredit, im Gespräch.
Johannes Kannwischer begleitet und berät für die UniCredit Unternehmen in den Wachstumsmärkten, insbesondere in den Bereichen Währungs- und Zinsrisiken sowie Treasury Set-up.
Johannes Kannwischer (JK): Wir sehen bei unseren Kund:innen zwei Trends: Es gibt erstens eine starke Tendenz zur Zentralisierung in der Muttergesellschaft. Zweitens: Finanzmarktrisiken werden wesentlich strategischer gemanagt. Das ist effizienter und außerdem können sich die Tochtergesellschaften je nach Unternehmen zu 100 Prozent auf die Produktion oder den Vertrieb konzentrieren.
JK: Das Treasury professionalisiert sich weiter. Es werden immer öfter Regelwerke wie Hedging-Policies aufgestellt, die der Vorstand absegnet. Sie bilden das Grundgerüst, um zu entscheiden, wie Währungsrisiken im Unternehmen gemanagt werden.
JK: Die Hedging-Policy definiert, in welcher Form ein Risiko erfasst wird und wer dafür verantwortlich ist. Zudem gibt sie eine sogenannte Hedging-Quote vor, also den Fremdwährungsanteil, der mindestens und maximal abzusichern ist. Die zugrunde liegenden Annahmen müssen auch beschrieben werden. Wenn Hedging-Quote und Budgetplanung feststehen, geht es um den Budgetkurs, der sich am Terminkurs orientieren sollte. Und dann werden natürlich die Absicherungsinstrumente genannt.
Welche Laufzeit und welche Hedging-Quote für eine Absicherung gewählt werden, hängt keineswegs nur von der Volatilität einer Währung ab. Das zugrundeliegende Risiko lässt sich erst bestimmen, wenn das Geschäftsmodell sowie kurz- und langfristige Variablen analysiert wurden.
JK: Das kommt drauf an. Eine gute Minimum-Hedging-Policy lässt sich schon auf einer DIN-A4-Seite beschreiben und gibt dem Unternehmen ein großes Maß an Sicherheit. Bei großen Unternehmen und hohen Risiken können es aber auch bis zu 100 Seiten werden.
JK: Nein, ein Strategiemeeting beginnt meist sehr operativ. Ein Unternehmen schickt zum Beispiel ein Angebot für eine Werkzeugmaschine raus, meldet sich dann bei uns und sagt: „Lassen Sie uns mal reden, wie Sie mir helfen können.“ Und dann geht es los: Wer ist die Kundschaft und welche Laufzeit hat das Angebot? Die nächste Frage wäre die Prognostizierbarkeit, also die Wahrscheinlichkeit, dass diese Maschine tatsächlich abgenommen wird – und zu welchem Preis. Dann schaut man sich den Markt und die Zinsaufschläge an und versucht, das Bild mit dem Kalkulationskurs des Unternehmens in Einklang zu bringen. Manchmal gibt es keinen Kalkulationskurs, manchmal gibt es Gleitklauseln in Verträgen. Und schon sind wir mitten in der Diskussion.
Dann ist die Frage der Marge sehr interessant: Gibt es ein bisschen Luft oder ist das Geschäft so eng kalkuliert, dass unbedingt sofort ein bestimmter Kurs fixiert werden muss? Welche Markterwartung hat das Unternehmen und lässt sich ein Kurs so sichern, dass der Verkauf der Maschine in jeder Situation profitabel ist? Schon die Antworten auf diese Fragen ergeben eine erste Strategie, die sich ausbauen lässt, wenn man tiefer in das Geschäftsmodell einsteigt.
JK: Eine Hedging-Policy muss zunächst für das Unternehmen passen. Dann gilt es, sie auf die verschiedenen Geschäftsmodelle und Märkte herunterzubrechen. Ein großes Thema dabei ist die Prognostizierbarkeit der Cashflows. Unsere Erfahrung ist, dass die Prognostizierbarkeit deutlich abnimmt, je weiter in der Zukunft der Cashflow kommt. Projekte können sich verzögern, es kann auch das Auftragsvolumen variieren.
Das bedeutet tendenziell eine geringere Hedging-Quote, je weiter der Cashflow in der Zukunft liegt, und umso höher, je näher der Zahlungstermin ist. Wenn ich weiß, dass das Geld morgen kommt und schon avisiert ist, kann ich heute 100 Prozent hedgen. Wenn die Zahlung erst in drei Jahren zu erwarten ist, überlege ich mir, vielleicht nur 60 Prozent abzusichern.
JK: Erst mal ja. Als nächstes muss die Frage beantwortet werden, wie relevant das Risiko ist. Danach fange ich an, meine Währungen dahin gehend zu sortieren, was am meisten wehtun würde. Das setze ich ins Verhältnis zu den Kosten und überlege mir, was ich maximal an Risiko verkraften könnte. Erst dann fange ich an, die Währungen zu wählen, die abgesichert werden sollen. Das wäre ein Ansatz.
Oder ich sage, ich mache von jedem Währungspaar immer 70 Prozent, egal, was es kostet. Die Strategie muss zum Unternehmen passen. Es kommt auf die Risikosteuerung an, auf die Größe des Treasury-Teams und darauf, wie groß die Erfahrung ist. Solche Portfolio-Ansätze sind nicht einfach. Wichtig ist, überhaupt etwas zu machen und Risiken aus dem Währungsbereich zu nehmen. Das Ziel muss immer sein, das Geschäftsmodell zu stabilisieren.
JK: Aussitzen kann teuer werden – wir haben das beim Russischen Rubel gesehen. Wir sehen es in der Türkischen Lira, aber wir sehen es inzwischen genauso beim Dollar und im Britischen Pfund. Die Volatilität hat nach den Emerging Markets auch die großen Märkte erfasst. Da gibt es keine Ausnahme mehr. Mit anderen Worten: „Aussitzen“ ist die falsche Taktik!
Hedging sorgt unterm Strich für bessere Kalkulierbarkeit und damit mehr Sicherheit. Unsichere Finanzmärkte bedeuten nunmal fast immer auch unsichere Absatzmärkte. Es kann passieren, dass ein erwarteter Absatz aufgrund von Marktverwerfungen um zehn, zwanzig oder im Extremfall auch mal 40 Prozent geringer ausfällt als geplant. So gesehen erfassen die Finanzmärkte immer die Realwirtschaft und auch umkehrt. Diese Wechselwirkungen kann man nicht ausblenden. Unternehmen, die in volatilen Märkten agieren, müssen sich darauf einstellen und rechtzeitig eine Strategie finden, die zu ihrem Geschäftsmodell passt.
In welcher Form wird ein Risiko erfasst?
Welche Geschäfte müssen abgesichert werden?
Welche Hedging-Quote wird gewählt, also was muss mindestens und was kann maximal abgesichert werden?
Welche Annahmen liegen der Hedging-Quote zugrunde?
Wird ein Zeitpunkt oder ein Zeitraum „gehedgt“?
Welche Finanzmarktinstrumente werden eingesetzt?
Wer macht was und wer ist verantwortlich?
JK: Was immer noch unterschätzt wird – auch bei sehr gut positionierten Unternehmen – ist, dass sie noch besser sein könnten, wenn sie ihre Produkte auch in lokaler Währung anbieten würden. Natürlich unter der Voraussetzung, das zeitgleich zu sichern. Wer seine Produkte in der lokalen Währung anbieten kann, sichert sich aus unserer Erfahrung tatsächlich oft einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil, weil er den Beauftragenden dadurch das Währungsrisiko abnimmt und es stattdessen selbst in Deutschland managt. Anders als zum Beispiel in vielen Entwicklungsländern ist das hier relativ kostengünstig und hoch effizient möglich. Das ist ein Riesenthema.
JK: Wir haben einige deutsche Unternehmen begleitet, die ihre Preise in lokaler Währung in China anbieten. Deren Kund:innen können auch bei länger laufenden Verträgen die Ware nun tatsächlich in Chinesischen Renminbi abnehmen. Das setzt eine gute Planbarkeit voraus. Das deutsche Unternehmen muss wissen, wie viele Produkte es in den nächsten zwölf Monaten in China absetzt. Dann würde es entsprechend das Gegengeschäft mit der UniCredit machen und die Renminbi auf Termin an uns verkaufen. Das ist ein smarter Weg, weil es Märkte gibt, in denen die Unternehmen vor Ort keinen Zugang zum Finanzmarkt haben.
JK: Sie können natürlich sagen, als Weltmarktführer:in exportiere ich meine Waren in Euro. Da gibt es für mich kein Währungsrisiko. Wenn die Abnehmenden aber ihr Risiko nicht managen können, dann kann es passieren, dass sie ihre Verträge nicht erfüllen können, weil ihnen schlicht das Geld ausgegeht. Wir haben Projekte gesehen, die sehr schmerzhaft waren und teils sogar zu einem existentiellen Risiko wurden.
Und es gibt noch ein zweites Argument: Viele deutsche Unternehmen sind klare Marktführende. Die Marktführerschaft kippt aber irgendwann, wenn sich die Abnehmenden das Produkt nicht mehr leisten können. Dann wird die hohe deutsche Qualität zugunsten lokaler Produkte geopfert und die deutschen Lieferant:innen sind aus dem Rennen.
JK: Zum einen ist es der Blick aus dem Finanzmarkt heraus auf die internationalen Absatzmärkte. Denn Finanzmärkte beeinflussen auch die Märkte, nicht nur die Realwirtschaft. Wenn es um die Umsetzung geht, sind es Fragen wie: „Wie funktioniert eine Hedging-Policy? Welche Erfahrungen gibt es oder wie kann man eine exzellente Abwicklung sicherstellen?" Und schließlich geht es um den Austausch taktischer Manöver in verschiedenen Märkten – da können wir vieles beitragen.