So wachsen, wie ein Wald. Langfristig, stetig, auskömmlich, umsichtig – nachhaltig. Das wollen immer mehr Unternehmen. Das Naturreservat Wald benötigt vor allem viel Zeit. Dann gedeiht es, entwickelt Unterholz, eine lebendige Flora und Fauna vom Erdreich bis in die Wipfel. Und genau das macht so ein Biotop groß, widerstandsfähig und für hunderte Jahre erfolgreich.
Der Mittelstand macht es ganz ähnlich. Er ist eine veritable Großmacht der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung, steht dabei für ein Drittel aller Firmenumsätze sowie zwei Drittel aller Beschäftigten in Deutschland. Gerade, wenn dort bereits der vierte oder fünfte Nachkomme im Chefsessel sitzt, wenn in den Bilanzen schon Reichsmark und D-Mark standen und sie nun auf Euro lauten, ist Mittelständlern die Metapher des Waldes und seiner behutsamen, nachhaltigen Bewirtschaftung nicht fremd.
Schließlich denken und handeln die meisten für den langfristigen, nicht kurzfristigen Unternehmenserfolg. Sie folgen den Atemzügen des Markts, planen klug für die nächste Unternehmergeneration, haften mit ihrem Kapital, dienen ihrer Region, bevorzugen den fairen Wettbewerb der Ideen gegenüber ruinöser Konkurrenz. Vielerorts erfüllen sie schon seit mehr als einhundert Jahren Verpflichtungen gegenüber ihren Mitarbeiter:innen und ihrer Region. Sie sind die nachhaltigen Forstwirte unserer Gesellschaft – mit erfolgreichen Produkten, Diensten und Technologien, die oftmals sogar den Weltmarkt dominieren.
Aber woran liegt das? Warum folgen kleinere und mittelgroße Familienunternehmen oft instinktiv nachhaltigen Tugenden, ohne dass darüber groß darüber nachgedacht werden muss? Mittelständische Unternehmen sind vor allem eines: frei. Selten trifft sie überregionale Aufmerksamkeit. Und sie unterliegen keinen kurzlebigen Erwartungen anonymer Aktionäre und Stakeholdern an Strategie, Wachstum und Rendite. Das Maßhalten, das "warten können", aber auch das “einfach Mal machen" – es macht aus mittelgroßen Firmen auch mutige Innovatoren und nachhaltige Entdecker. Dies ist die perfekte Basis für nachhaltiges Wirtschaften im Mittelstand.
Mittelständler brauchen den Instinkt für den Erfolg in einer anfangs kleinen Kundennische, die so tickt wie sie selbst. Die Marktforschung auch mal Marktforschung sein zu lassen und die eigenen Ideen hartnäckig gegen alle Einsprüche zu verfolgen. Das ist häufig das Rezept für Erfolg im Mittelstand. "Dieser Ansatz ist beileibe nicht ohne Risiko. Aber es bringt aus dieser Unternehmenskategorie eben auch häufig Nachhaltigkeitspioniere hervor. Die möchten erklärtermaßen zeigen, dass bestimmte Produkte am Markt funktionieren. Und erst wenn das bewiesen ist, sind sie zufrieden. Dann ziehen meistens erst die großen Konkurrenten nach", so Petersen.
Wenig überraschend werden viele dieser nachhaltigen Produkte denn auch von Mittelständlern im Sinne der Bewahrung von Lebensgrundlagen entwickelt. Da ist der niedersächsische Safthersteller Voelkel, der Bio-Säfte aus der Region abfüllt und sich überwiegend auf den Gaumen des Firmeninhabers verlässt, wenn es an neue Getränke-Kreationen geht. Da sei die Feuerverzinkerei Wiebel, die von Franken aus Standorte in Deutschland, Österreich, Tschechien und der Slowakei betreibt und aus eigenen Stücken in die Zukunft geschlossener Stoffkreisläufe und ökologischer Energiesysteme aufgebrochen ist. Nur zwei Beispiele von hunderten Mittelständlern, die etwas anders, “grüner”, sozialer und nachhaltiger machen wollen als andere.
Ein in vielfacher Bedeutung nachhaltiges Nischenprodukt, die langfristige Erarbeitung des Erfolgs, die stabile strategische Perspektive, oft über die Generationen einer Familiendynastie hinweg. Fragt man in den Vorstandszimmern von Mittelständlern nach, bestätigt sich diese typisch mittelständische Formel ein um das andere Mal. Ist es Zufall, wenn eine Traditionsfirma wie Kärcher – mit 13.000 Mitarbeiter:innen eher ein Schwergewicht der Mittelständler – 2022 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet wurde?
Das Privileg des familiären Weitblicks verhindert schroffe Brüche bei Strategie, Kultur und Innovationskraft. “Die Familie erwartet, dass wir Ergebnisse liefern. Das geht nur, wenn wir auf allen Ebenen Nähe und Verständigung pflegen. Vertrauen ist schließlich auch unsere wichtigste Währung bei den Kund:innen”, berichten etwa die Cousins Felix und Jens Fiege vom gleichnamigen mittelständischen Logistikdienstleister in Greven bei Münster.
Schon rein physisch können sich Manager:innen und Mitarbeiter:innen in kleinen und mittelgroßen Firmen nicht aus dem Weg gehen. Man muss deshalb miteinander können, muss sich respektieren und ein gemeinsames Verständnis von Firmenerfolg und dem Weg dorthin haben. "Daher rührt das in der Regel hohe Verantwortungsgefühl auf beiden Seiten — von Belegschaft und Führung — für den Standort und das Unternehmen bei Mittelständlern. Häufig arbeiten ja auch schon beide in der x-ten Generation in der Firma. Da entsteht Verbundenheit. Und das begünstigt Nachhaltigkeit ganz eindeutig. Und das ist anders, wenn ich in einer Konzernzentrale sitze und keinen Kontakt zu meinen Mitarbeiter:innen habe", sagt Mittelstandsexperte Petersen.
Einen Wald beleben in Westeuropa um die 5000 Arten von Mikroben, Käfer, Kleintiere, Pilze, Moose und Pflanzen. Damit im produktiven Mittelstand aus dieser typischen Symbiose aus Ideen, Initiativen, Solidarität, Verbundenheit und Ethos keine monokulturellen Plantagen werden, müssen immer wieder findige Unternehmerpersönlichkeiten ans Werk gehen — mit Weitblick, Langmut, Besessenheit und Konstanz. Kein Wunder, dass das Schlagwort Nachhaltigkeit tatsächlich der Forstwirtschaft entstammt — schon vor 200 Jahren geprägt. Nicht viel später wurden viele heute noch erfolgreiche Mittelständler in Deutschland gegründet.