Ein lange Zeit verschwundenes Phänomen ist zurück: die Inflation. Im Gesamtjahr 2022 erreichte die bundesweite Teuerungsrate 7,9 Prozent und lag damit so hoch wie seit Beginn der 80er Jahre nicht mehr. Die Parallelen sind unverkennbar. Damals belastete der Iran-Irak-Krieg die Märkte, heute sind es die Ereignisse in der Ukraine. Oftmals ist die Inflation ein Gespenst, das unverhofft kommt - jedoch große Auswirkungen u.a. auf die Nominalzinsen mit sich bringt.
Nicht nur die Preise für Energie kletterten scheinbar unaufhaltsam in die Höhe. Auch für dringend benötigte Rohstoffe und Vorleistungen wie Kupfer, Nickel, Stahl sind die Kosten für Firmen deutlich gestiegen. Verbraucher:innen müssen parallel für Lebensmittel wie zum Beispiel Speisefette oder Gemüse erheblich mehr bezahlen als noch vor Kriegsbeginn. Mittlerweile stellen sich immer mehr Marktteilnehmer:innen darauf ein, dass die Inflation ein anhaltender Bestandteil unserer Volkswirtschaft bleibt.
Die Reaktion der Notenbanken auf dieses Umfeld: Leitzinserhebungen. In den USA hat die Notenbank Fed den Leitzins bereits auf ca. 5 Prozentpunkte angehoben. Seit März 2022 verkündete sie neun Mal einen Anstieg.
Und auch in Europa hat die Europäische Zentralbank den Leitzins angehoben, um der hohen Inflation entgegenzuwirken. Nach mehr als sechs Jahren gab es am 27. Juli 2022 die erste Anhebung, gefolgt von weiteren Zinsschritten bis heute. Der aktuelle EZB-Leitzins (Stand: 21.06.2023) liegt bei 4,00%.
Die Zinsmärkte haben sich damit fundamental verändert, ein Paradigmenwechsel hat stattgefunden.
Aktuelle Einschätzungen zur Inflations- und Zinsentwicklung finden Sie in unserem Podcast HVB Markt-Briefing:
Herr Karg, wie schätzen Sie die aktuelle Situation am Zinsmarkt ein?
Dies bleibt nicht ohne Folgen für die Finanzierungskosten. Die Zinsen für Unternehmensanleihen mit Investmentqualität im mittel- und langfristigen Bereich haben mittlerweile seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs Anfang 2022 signifikant angezogen. „Betrachten wir den 5 Jahres Mid-Swap so haben wir mittlerweile wieder das Niveau aus dem Jahr 2010 erreicht. Die an den Märkten zu Beginn des Jahres 2024 eingepreisten Zinssenkungen haben sich jedoch erstmals als „Strohfeuer“ bewiesen. Auch wenn die EZB in 2024 erste Zinssenkungen vornehmen könnte, so erscheint eine Rückkehr zur Niedrigzinsphase des letzten Jahrzehnts sehr unwahrscheinlich. Somit hat der Zins unverändert einen signifikanten Einfluss auf Investitionen und Zinssteuerung.“, glaubt HVB-Zinsexperte Matthias Gmach. Wir bewegen uns -allen Unkenrufen starker Zinssenkungen zu trotz - immer noch in der Spätphase eines klassischen Zyklus steigender Zinsen. Dieser hat in der Vergangenheit bis zu 3 ½ Jahren gedauert und könnte uns somit noch die ein oder andere Überraschung bescheren. Dies trifft ebenfalls auf die FED zu.
Stand: 11.06.2024, Quelle: Unicredit clients solutions
Die Tatsache einer inversen Zinsstrukturkurve (kurzfristige Zinsen liegen deutlich über den langfristen) deutete in der Vergangenheit statistisch gesehen in rund 80% der Fälle auf eine Rezession hin und ist somit ein guter Konjunkturschätzer. Hieraus jedoch eine schnelle Zinswende abzuleiten, könnte sich jedoch als verfrüht darstellen. Bezogen auf die Inflation diesseits und jenseits des Atlantiks bleibt zu bedenken, dass weiterer Gegenwind u.a. in Form von Zweitrundeneffekten aus den doch sehr hohen Lohn- und Tarifabschlüssen in 2023 und 2024 mit Zeitversatz kommen könnten.
Für Unternehmen mit Kapitalbedarf gilt somit weiterhin erhöhe Wachsamkeit. Im Prinzip gilt das für alle Segmente – von der Working-Capital-Finanzierung bis zur langfristigen Immobilienfinanzierung. Eine aktive Steuerung der Zinsrisiken ist wieder von essenzieller Bedeutung.
Die Expert:innen der HypoVereinsbank verfügen über eine Vielzahl von Lösungen, mit deren Hilfe Unternehmen für mehr Sicherheit und eine feste Kalkulationsbasis für die nahe und mittlere Zukunft sorgen können. „Die Unsicherheit ist immer noch hoch. Niemand weiß, wie sich die Finanzierungskosten konkret in Zukunft entwickeln werden. Warum also nicht schon heute über eine Zinsfestschreibung für die anstehende Refinanzierung nachdenken? Zumal die inverse Zinsstrukturkurve hier eine zusätzliche Opportunität bietet“, regt Marco Kuchenmeister an.
Unternehmen, die in absehbarer Zeit Investitionen planen, sind zudem gut beraten, schon jetzt über eine Sicherung anstehender Fremdkapitalkosten nachzudenken. „Dadurch ist sichergestellt, dass das Kapital dann, wenn es benötigt wird, auch wirklich zur Verfügung steht – und das zu einem planbaren Zins“, sagt Kuchenmeister. Gleichzeitig sinkt das Risiko, dass das geplante Projekt aufgrund steigender Kosten der Finanzierung in der Zukunft unrentabel und möglicherweise sogar gefährdet werden könnte. Dabei ist es unerheblich, ob die Kapitalauszahlung jetzt oder erst in der Zukunft erfolgt. Und auch Lösungen in Fremdwährungen sind möglich.
Die mögliche Sorge, dass es angesichts der bereits gestiegenen Zinsen für eine Absicherung bereits zu spät sei, teilt der Experte nicht. Viele Anzeichen sprechen dafür, dass die Zinswende von Dauer ist und die antizipierten Zinssenkungen zumindestens erstmals nicht in der erwarteten Höhe kommen“, glaubt Marco Kuchenmeister.