Bei einem Erbe sind bestehende Finanzpläne plötzlich überholt. Bestenfalls ist das nur ein Problem der Anlagestrategie. Doch auch Schulden werden vererbt.
Plötzlich reich. So geht es nur Lottogewinnern und Erben. Wobei die Chance, durch eine Erbschaft zu einem Vermögen zu gelangen, größer ist. Im statistischen Mittel erben jedes Jahr vier Prozent aller Privathaushalte, also jeder 25. Im Laufe von 12,5 Jahren hat jeder Zweite geerbt; im Zeitraum von 30 Jahren jeder Haushalt mindestens einmal.
Dazu muss man wissen: Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hat das Nettovermögen der Deutschen mit 9.300 Milliarden Euro einen Rekord erreicht. Darin enthalten sind insbesondere Bankeinlagen sowie Immobilien abzüglich Schulden wie zum Beispiel Hypothekenkredite. Dieses Nettovermögen ist die Erbmasse. Davon werden jedes Jahr mehrere hundert Milliarden Euro generationenübergreifend weitergegeben – wobei der Staat in Form der Erbschaftsteuer mit von der Partie ist.
Ein derart warmer Regen stellt für die meisten Erben eine Herausforderung dar. Was tun, wenn man in einem Testament bedacht wird und plötzlich 250.000 Euro Bargeld erbt? Oder ein Aktiendepot im Wert von 150.000 Euro? Oder eine Immobilie im Verkehrswert von einer Million Euro? Oder Schulden?
„Das wichtigste ist, Ruhe bewahren“, rät Michael Hösch, Financial und Estate Planner bei der HypoVereinsbank (HVB). „Aber nutzen Sie die Zeit, um sich einen Überblick über die gesamte Erbschaftssituation zu verschaffen.“ Geld aus einem Testament hat mitunter auch seine Tücken. Was oft übersehen wird: „Auch Schulden werden vererbt“, sagt der Experte Hösch.
Es ist eben nicht immer sicher, dass der Verstorbene nur dicke Sparbücher und pralle Wertpapierdepots hinterlässt, die das eigene Vermögen vermehren. Stattdessen kann sich eine nicht abbezahlte Immobilie als Belastung erweisen. Statt eines warmen Geldregens trifft so manchen Erben eine kalte Dusche, für die er dann auch mit seinem Vermögen haftet, sollte das Erbe nicht ausreichen, um etwaige Schulden zu decken – Verluste, die jeder gern vermeiden möchte.
Bei Erbschaften gilt es, bestimmte Fristen und Formalitäten zu beachten. „Der Gesetzgeber hat eine Frist von sechs Wochen vorgesehen“, sagt Steuerberater Dr. Thomas Fritz, Partner der Kanzlei Peters, Schönberger & Partner in München. Innerhalb dieser Zeitspanne muss sich der Erbe beim Nachlassgericht erklären, ob er die Erbschaft antritt oder ausschlägt.
Schlägt der Erbe die Erbschaft aus (schriftlich vor dem Nachlassgericht), haftet er nicht für etwaige Schulden aus dem Nachlass, hat aber auch endgültig keinen Anspruch mehr auf beispielsweise vorhandenes Geldvermögen. Allerdings lässt sich die Schuldenhaftung bei einem überschuldeten Erbe beschränken. Dazu muss der Erbe beim zuständigen Amtsgericht einen Nachlassverwalter beantragen, der die Nachlassinsolvenz einleitet und ihm einen genauen Überblick über den Schuldenstand gibt. Dadurch wird der Nachlass vom Vermögen des Erben getrennt; eine Schuldenhaftung gibt es dann nur noch für das vererbte Vermögen.
„Erben heißt kümmern“, fasst Thomas Fritz die Notwendigkeit in drei Worten zusammen und nennt als Grund noch ein Beispiel: „Auch Steuerschulden wechseln den Besitzer. Hinterlässt der Erblasser irgendwo ein Konto mit offensichtlich nicht deklariertem Vermögen, ist der Erbe verpflichtet, die Erklärung gegenüber dem Finanzamt nachzuholen, sonst macht er sich strafbar.“
Eine Erbschaft kann also nicht immer nur finanzielle Vorteile bringen. In der Mehrzahl der Fälle freilich dürften die positiven Effekte überwiegen. Doch auch dann müssen sich Erben kümmern, wenn es darum geht, Geld aus dem Erbe sinnvoll und effizient anzulegen. „Denn eine Erbschaft kann die bestehende Anlagestrategie des Erben aus dem Gleichgewicht bringen“, sagt HVB-Experte Michael Hösch. Grund genug, die eigene Vermögensstrategie zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen.
Ein Beispiel sind geerbte Immobilien. Womöglich besitzt der Begünstigte bereits ein Eigenheim und zusätzlich ein Mietobjekt. Noch mehr Betongold verschiebt das Gewicht des Gesamtvermögens eindeutig in eine Richtung. Es kann ein so genanntes Klumpenrisiko entstehen, also ein Zuviel von einem Anlage- und Risikotyp, das durch eine erneute bedarfsgerechte und ganzheitliche Vermögensanalyse identifiziert und durch eine sinnvolle und effiziente Anlagestrategie abgebaut werden sollte. Oder der Erbe ist plötzlich Besitzer eines Depots mit Technologieaktien, weil der Erblasser ein Technik-Fan war. Zur Risikobereitschaft des Erben muss diese spezielle Anlage nicht passen, zum Beispiel wenn er in seiner Vermögensaufstellung Risiken jeglicher Art scheut, weil er erst kürzlich ein Immobiliendarlehen für das Familienheim aufgenommen hat.
Kurz: Ein Erbe hat oftmals auch eine Herausforderung bei seiner Vermögens- und Anlagestrategie. Er muss nicht nur entscheiden, wie er mit neuen Vermögenswerten umgeht, in welche zu ihm passenden Anlageformen er also investiert, um Vermögenswerte zu bewahren oder im Idealfall zu vermehren. Zur Auswahl steht die komplette Palette an Möglichkeiten, um das neue Vermögen anzulegen: vom Sparplan über einen Investmentfonds bis hin zu unternehmerischen Beteiligungsmodellen. Auch die Gründung einer Stiftung kann eine Option sein.
Notwendig ist manchmal auch die Neuordnung der kompletten privaten Finanzen. Für so manchen Erben ist das unerwartete Vermögen eine gute Gelegenheit, sich zum ersten Mal einen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen. Das ist doppelt wichtig – schließlich ist jeder Mensch irgendwann einmal Erblasser und möchte seinem Partner sowie seinen Kindern geordnet und wohlüberlegt Finanzen übergeben und dabei Verluste vermeiden. So lässt sich durch Schenkungen die spätere Erbschaftssteuer reduzieren, und eine komplette Aufstellung des Erbes, hinterlegt beispielsweise bei einem Notar, verhindert, dass Vermögensteile nicht gefunden werden.