Ein Erbe stellt die Hinterbliebenen vor finanzielle Herausforderungen. Soll man das Erbe annehmen oder ausschlagen? Worauf muss man achten, um Nachteile zu vermeiden?
Die Eltern, ein naher Verwandter, der Lebenspartner: Man kennt einander ein Leben lang nur zu gut, und plötzlich ist der andere nicht mehr da. Dass Menschen einmal sterben, ist klar. Doch oft passiert es unerwartet. Zur Trauer kommt dann der Stress, der Handlungsdruck. Was muss ich regeln? Welche Fristen muss ich einhalten? Welche Pflichten kommen auf mich als rechtlichen Nachfolger zu? Und: Wie gehe ich bei einer Erbschaft mit dem geerbten Vermögen um?
Auch wenn es schwerfällt: Erben tun gut daran, sich umgehend um bestimmte Dinge zu kümmern. Wichtig sind vor allem die Angelegenheiten, für die es Fristen gibt. Was nicht jedem bewusst ist: Eine Erbschaft kann mit erheblichen Nachteilen verbunden sein. Zum Beispiel dann, wenn der Erblasser hoch verschuldet war. Nachdem er von dessen Tod erfahren hat, bleiben dem rechtlichen Nachfolger im Normalfall sechs Wochen Zeit, sich zu überlegen, ob er das Erbe ausschlagen will. Nach Verstreichen der Frist gilt das Erbe als angenommen. Durch eine Ausschlagung erbt er zwar nichts, unterliegt aber auch nicht der Haftung für etwaige Schulden des Erblassers.
Hat sich der Erbe aber gegen die Ausschlagung entschieden oder die Frist versäumt, ist er dafür verantwortlich, den gesamten Nachlass abzuwickeln und die entsprechenden Kosten zu tragen. Dazu gehören Zahlungsverpflichtungen wie Pflichtteil, Erbschaft- und Einkommensteuer und offene Krankenhausrechnungen.
„Innerhalb der sechswöchigen Frist sollte man genau überprüfen, ob der Erblasser größere Verbindlichkeiten hatte, die den restlichen Nachlasswert übersteigen“, sagt Sven Hoyer, Spezialist für Vermögensnachfolgeplanung bei der HypoVereinsbank (HVB). Auch kann es sein, dass Bürgschaften des Verstorbenen übernommen werden müssen. Es gilt also, sich möglichst schnell ein Bild von der wirtschaftlichen Situation des Verstorbenen zu machen.
Eine weitere Sofortmaßnahme ist es, sich bei der Bank des Verstorbenen zu erkundigen, welche Vollmachten noch für Dritte für ein Konto oder Wertpapierdepot bestehen. Es gilt: Jeder einzelne Miterbe kann die Vollmacht Dritter widerrufen. Beispielsweise auch für den noch lebenden Ehepartner des Verstorbenen. Idealerweise legt der Erbe bei der Bank den Erbschein vor, um sich als Rechtsnachfolger zu legitimieren. Den Erbschein beantragt man beim zuständigen Nachlassgericht. Allerdings ist dies mit Kosten- und Zeitaufwand verbunden. Alternativ akzeptiert die Bank oft auch ein notarielles Testament mit Eröffnungsvermerk als Legitimation der Erben.
Der HVB-Experte empfiehlt darüber hinaus zu überprüfen, ob man als Erbe weitere finanzielle Ansprüche neben dem Nachlass hat. So sollte man in Erfahrung bringen, ob der Erblasser Risiko- und Kapitallebensversicherungen mit entsprechender Bezugsberechtigung abgeschlossen hat.
Verantwortlich sind die Erben übrigens grundsätzlich auch für die Bestattungskosten. Dies gilt auch dann, wenn jemand anderes, etwa ein anderer Familienangehöriger, die Beerdigung und die Errichtung des Grabsteins beauftragt hat.
Wenn man das Erbe nicht ausgeschlagen und erste dringende Aufgaben erledigt hat, muss sich der Erbe überlegen, wie er mit seinem neu hinzugekommenen Vermögen umgeht. Zunächst gilt es, sich genauer anzusehen, wie der Erblasser sein Vermögen angelegt hat. Anschließend kann man entscheiden, ob man weiter nach der bisherigen Strategie investieren oder diese verändern will.
Häufig kommen Menschen als Erben erstmals in die Verlegenheit, darüber nachzudenken, wie sie mit einem größeren Vermögen umgehen. Wer keine Affinität zu Wertpapieren und anderen Vermögenswerten wie Immobilien hat und auch weder Zeit noch Lust, sich intensiver damit zu beschäftigen, kann dies delegieren. Dazu beauftragt man zum Beispiel eine Bank oder einen Vermögensverwalter. Das Gleiche gilt für vermietete Immobilien des Erblassers. Will man sich selbst um Vermietung und Sanierungsmaßnahmen kümmern? Oder lieber einen Experten damit beauftragen? Eine weitere Alternative ist es, sich von bestimmten Vermögenswerten zu trennen.
Doch da steckt bisweilen der Teufel im Detail. Was ist, wenn der Erblasser in geschlossene Fonds investiert hat? Von solchen Beteiligungen – etwa an Schiffen, Immobilien und Flugzeugen – kann man sich nicht ohne Weiteres trennen. Je komplexer das Vermögen angelegt ist, desto mehr Know-how ist notwendig.
Nicht zu vergessen sind dabei steuerliche Auswirkungen. Bevor Entscheidungen getroffen werden, kann es also hilfreich sein, sich von Finanzexperten und einem Steuerberater unterstützen zu lassen.
Ein Beispiel für die Komplexität des Steuerthemas ist die Frage, ob man beim Verkauf von Wertpapieren Abgeltungsteuer bezahlen muss oder nicht. Wurden diese vor dem 1. Januar 2009 gekauft, gilt in vielen Fällen ein Bestandsschutz. Abgeltungsteuer fällt dann nicht an. Sollen Wertpapiere veräußert werden, um etwa die Erbfallkosten zu decken, kann es sich daher lohnen, den Anschaffungszeitpunkt der Wertpapiere beim Erblasser mit ins Kalkül zu ziehen.
Bei Immobilien ist der Verkauf für Privatpersonen nach zehn Jahren steuerfrei. Ansonsten muss der Verkauf in der Steuererklärung als privates Veräußerungsgeschäft angegeben werden. Bei einem Veräußerungsgewinn wird der individuelle Einkommensteuersatz fällig. Hatte nun beispielsweise der Verstorbene sich vor acht Jahren eine Immobilie angeschafft, könnte es sich auszahlen, noch zumindest zwei Jahre mit dem Verkauf zu warten.
Aufgrund der Komplexität und der sich ändernden Gesetzeslage ist es sinnvoll, sich professionelle Unterstützung zu holen. Aber an wen kann man sich als Erstes wenden, wenn es um das Vermögen geht? „Der beste Ansprechpartner ist in der Regel der bisherige Kundenbetreuer des Erblassers“, sagt Sven Hoyer. Falls dieser zu einem bestimmten Finanzthema nicht selbst Experte ist, kann er betreffende Spezialisten des Hauses hinzuziehen.
„Erben, die zu uns kommen, sind oft in einer schwierigen Situation. Die emotionale Belastung und die zu erledigenden Formalitäten können schwer auf ihren Schultern lasten“, berichtet Sven Hoyer. So trifft es viele Erben oft unvorbereitet.
Zu größeren Problemen kann es zudem kommen, wenn es mehrere Erben gibt und diese sich untereinander nicht einig sind. Daraus ergibt sich die Herausforderung, das Vermögensmanagement in den Griff zu bekommen. Dieses Problem haben übrigens auch hinterbliebene Ehepartner, wenn sich bislang nur der Verstorbene um das Finanzielle gekümmert hat.
Wenn es eine Erbengemeinschaft gibt, rückt besonders eine Frage in den Vordergrund: Wer ist für die Umsetzung aller Entscheidungen rund um das Vermögen zuständig? Grundsätzlich gilt: Für jede Anlageentscheidung ist eine Mehrheit innerhalb der Erbengemeinschaft notwendig. Das kann Zeit und Nerven kosten. Dabei reicht es schon, wenn einer der Erben verreist oder nicht erreichbar ist, um den Entscheidungsprozess zu blockieren.
„In einem solchen Fall könnte es sinnvoll sein, einem Miterben die Erbenvollmacht zu erteilen, damit dieser das Portfolio dann managt“, sagt Hoyer. Sollte sich dazu keiner bereit erklären, können die Erben gemeinsam einen Vermögensverwalter einsetzen.
Ideal wäre es nun, wenn der Erblasser schon zu Lebzeiten bestimmen würde, wer das Mandat über die Verwaltung des Vermögens erhält. Diese Bestimmung läuft über den Todesfall hinaus. „Dies wäre die eleganteste Lösung, wenn keiner der Erben über ausreichend Zeit, Lust und Expertise verfügt, um ein Depot zu verwalten“, so HVB-Experte Hoyer.
Bereits zu Lebzeiten weise vorauszuplanen ist klug. Potenzielle Erblasser, die überlegen, welches Szenario in welcher Familiensituation eintreten könnte, erleichtern ihren Lieben das künftige Leben. Und genau darum sollte es doch eigentlich beim Erben gehen.