Praxisübernahme

So klappt es mit der Praxisübernahme.

Warum Sie diesen Artikel lesen sollten:
Für welche Ärzt:innen lohnt sich eine Selbstständigkeit? Was müssen Sie bei der Praxisübernahme beachten? Wer hilft Ihnen beim Thema Finanzierung?

Der Traum von der eigenen Praxis muss keiner bleiben. Doch eine Praxis allein ist keine Garantie für wirtschaftlichen Erfolg. Dafür braucht es detaillierte Planung, einen fundierten Businessplan und versierte Berater:innen.

Selbstständig zu arbeiten, heißt: sein:e eigene:r Chef:in zu sein, sich seine Arbeit und seine Freizeit selbst einzuteilen. Dies motiviert gerade junge Ärzt:innen in der Facharztausbildung im Krankenhaus, den Schritt in die eigene Praxis zu wagen. Die Ausgangssituation scheint günstig: In den nächsten Jahren stehen viele Arztpraxen zur Übergabe an und aufgrund des demografischen Wandels steigt der Bedarf an medizinischer Versorgung. Es verwundert daher nicht, dass das Gesundheitswesen in Deutschland mittlerweile die Branche mit dem größten inlandsgetriebenen Wachstum ist. Mehr noch: Die Dichte an Ärzt:innen- und Zahnärzt:innen gilt mittlerweile als Indikator für das Potenzial von Wirtschaftsräumen und die Attraktivität ganzer Regionen.

Zusätzlich sollten das aktuell niedrige Zinsniveau und eine Vielzahl von Zuschüssen und Fördermöglichkeiten für Investitionsstimmung sorgen.

Die Gesundheitswirtschaft als Wachstumsbranche.

Dennoch ist Selbstständigkeit an sich keine Garantie für Erfolg. Wer etwa auf dem Land eine Praxis für Allgemeinmedizin übernimmt, hat zwar weniger Konkurrenz, steht aber vor der Herausforderung, ein tragfähiges Konzept in einem schwierigen Umfeld zu entwickeln. In den Ballungsräumen dagegen brauchen Ärzt:innen ein Positionierungskonzept, um aus der Vielzahl der Angebote herauszuragen.

„Die Gesundheitswirtschaft ist eine große Wachstumsbranche“, sagt Dörte Andratschke, Koordinatorin Region München, bei der HypoVereinsbank in München. Eine Praxis müsse heute wie ein modernes mittelständisches Unternehmen geführt werden. „Dieses Unternehmertum muss neben einer hervorragend praktizierten Medizin von Praxisübernehmer:innen vollumfassend gelebt werden.“ Was es dazu brauche seien Führungsstärke, Organisationstalent und Marketing ebenso wie die geduldige Abarbeitung des Papierkrams.

Praxisübernahme: Expertentipps für Nachfolger:innen.

Ob Neugründung, Praxisübernahme oder Einstieg in eine Gemeinschaftspraxis – der Schritt in die Selbstständigkeit ist für Ärzt:inen und Zahnärt:innen eine Herausforderung: Worauf ist zu achten, wenn man eine Praxis zur Übernahme sucht? Warum ist eine fundierte Finanzplanung unerlässlich?

 

Praxisübernahme: Expertentipps für Nachfolger
Prof. Dr. Wolfgang Merk, Sachverständiger für die Bewertung von Unternehmen und Praxen im Gesundheitswesen gibt im Video Expertentipps beim Thema Praxisübernahme.

Garantien dafür, dass der Sprung in die Selbstständigkeit gelingt und die eigene Praxis erfolgreich wird, gibt es keine. Neben den Chancen bestehen eben auch Risiken. Welche Seite überwiegt? Das muss jeder für sich entscheiden.

„Für viele junge Ärzt:innen lohnt sich die Niederlassung mehr, als sie denken“, sagt Professor Dr. Wolfgang Merk vom gleichnamigen Sachverständigeninstitut. Er verweist darauf, dass es gegenüber der Eröffnung einer eigenen Praxis eine Menge Vorurteile gebe. Etwa: schlechtes Einkommen, lange Arbeitszeiten und hohe Inflexibilität. In der Realität sei dies oft aber ganz anders.

„Das Einkommen, das man mit der eigenen Praxis erzielen kann, ist meist deutlich höher als das von Ärzt:innen, die im Krankenhaus arbeiten“, so Merk. Selbstständigkeit helfe zudem, Mediziner:innen eine gute Work-Life-Balance zu finden. „Viele Ärzt:innen, die sich für die Niederlassung entschieden haben, erzählen mir heute, wie froh sie über die Entscheidung seien. Wenn sie gewusst hätten, dass es so gut laufen würde, hätten sie den Schritt schon früher gewagt.“

Formen der Selbstständigkeit.

Hat sich eine Ärztin oder ein Arzt erst einmal für die Selbstständigkeit entschieden, geht es anschließend um die Frage nach der Form: Einzelpraxis, Praxisübernahme, Praxisgründung mit Partner:innen oder Einstieg als Partner:in in eine bestehende Praxis? Möglichkeiten gibt es viele.

Praxisübernahme  
  1. Vorteile
    • Hohe Planungssicherheit

    • Bestehender Patientenstamm

    • Eingearbeitete Mitarbeiter
  2. Nachteile
    • Oft veraltetes Praxiskonzept, alte Gerätschaften

    • Eventuelle Probleme mit Stammbelegschaft

    • Risiken aus langfristigen Verpflichtungen wie Mieten
Gründung einer Einzelpraxis
  1. Vorteile

    • Idee, Planung und Umsetzung nach Ihren Vorstellungen

    • Schnelle Entscheidungen

    • Keine Gewinnaufteilung
  2. Nachteile
    • Keine Risikoaufteilung

    • Sie müssen alle Herausforderungen allein meistern

    • Erhöhte Einkommensunsicherheit

Praxisgründung mit Partnern

  1. Vorteile
    • Verteiltes Risiko

    • Verbesserte Chancen durch unterschiedliche Stärken

    • Erweitertes Behandlungsangebot denkbar

    • Längere Öffnungszeiten

    • Fachlicher Austausch

    • Kostensynergien

    • Bessere Verdienstchancen
  2. Nachteile
    • Alle Entscheidungen brauchen Kompromisse

    • Streitigkeiten bei unterschiedlichen Ergebnisbeiträgen
Beteiligung an einer bestehenden Praxis
  1. Vorteile
    • Einstieg in etablierte Praxis

    • Risikoteilung

    • Oftmals geringer Kapitalbedarf
  2. Nachteile
    • Gemeinsames Verständnis für Strategie und Konzept wichtig

    • Alte Gewohnheitsrechte

    • Neuregelung der Gewinnverteilung nötig

Wer sich entschieden hat, eine Praxis zu übernehmen, ist zumindest statistisch auf der sicheren Seite. Laut Merk liegt das Insolvenzrisiko einer normalen Praxis bei etwa 0,1 Prozent - private Insolvenzgründe eingeschlossen.

Dennoch: Wer eine Praxis übernehmen möchte, sollte sich die Objekte gut ansehen und nichts überstürzen. Dabei geht es nicht nur um die Patientenstruktur und Mitarbeiter:innen oder äußere Aspekte wie Lage, Erreichbarkeit und Parkplätze. Auch Faktoren wie der Zustand der Praxis und die Ausstattung mit Geräten sind relevant, denn hier können sich Kosten verstecken, die die Übernahme verteuern.

Bis zu drei Jahre für eine optimale Vorbereitung.

„Die optimale Zeitspanne zur Vorbereitung hängt von vielen Faktoren ab“, sagt Dörte Andratschke, Koordinatorin Region München. Dazu zählen insbesondere die medizinische Fachrichtung und die damit verbundenen örtlichen arztgruppenbezogenen Zulassungsbeschränkungen der jeweiligen Landesausschüsse der Ärzt:innen und Krankenkassen. Bereits die Suche nach einer geeigneten Praxis kann dauern, insbesondere in Ballungsgebieten. „Für die optimale Vorbereitung einer Praxisübernahme sollte grundsätzlich ein Zeitraum von bis zu drei Jahren eingeplant werden“, rät Andratschke.

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Klare Positionierung, durchdachte Strategie.

Wer als Ärztin oder Arzt und Unternehmer:in dauerhaft erfolgreich sein will, benötigt eine individuelle Strategie und eine klar erkennbare Positionierung. Vielleicht ist die bisherige Ausrichtung der Praxis richtig. Vielleicht lässt sie sich aber verbessern. Wichtig ist ein klares Profil am Markt. Der wachsende Gesundheitsmarkt allein ist keine Garantie für wirtschaftlichen Erfolg.

Grundsätzlich lassen sich vier Positionierungstypen unterscheiden:

  • Allrounder:in: Das Schweizer Taschenmesser unter den Medizinern. Breite Patientenbasis, großes Einzugsgebiet. Standardisierte Angebotspalette. Beispiel: allgemeinmedizinische Großpraxen
  • Fachexpert:in: Spezialist:in für einen konkreten Bedarf. Überregionales Profil, hochwertige technische Ausstattung, oft hohe Leistungsfähigkeit (ambulante statt stationäre Behandlung), eng vernetzt mit Überweiser:innen. Beispiel: ambulante spezialisierte Chirurgen, Radiologen
  • Komfortanbieter:in: Alles aus einer Hand. Hoher Service- und Komfortgedanke, kurze Wege für den Patienten durch viele ärztliche Leistungen in Diagnose und Therapie unter einem Dach. Beispiel: Ärztehaus
  • Kundenspezialist:in: Expert:in für die Nische. Starke Ausrichtung auf eine scharf umrissene Zielgruppe. Beispiel: Betriebsmedizin für große Unternehmen, Angebote für ausländische Patient:innen

Wichtig dabei ist, den Kurs immer wieder zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, da sich Marktgegebenheiten ändern können. 

Merkliste: Die richtige Positionierung.
Was macht Ihre Praxis aus? Was machen Sie anders als andere?

Stellen Sie sich diese Fragen, um die Ausrichtung Ihrer Praxis zu definieren:

  • Welche strategische Ausrichtung ist die passende – in einer Marktnische mit Spezialangeboten oder mit einem mengenorientierten Angebot für die Breite?
  • Wie kann ich Alleinstellungsmerkmale erzeugen und mich darüber differenzieren?
  • Welches Preissegment ist das richtige - High End oder Low Budget?
  • Wie entwickelt sich meine Region mittel- und langfristig?
  • In welcher Struktur kann ich meine Pläne am besten umsetzen – allein oder in einer größeren Kooperation?
  • Welche Investitionen werden sich rechnen?
  • Wie lassen sich am besten Synergieeffekte auf der Kostenseite erzielen?
Ohne Businessplan geht nichts.

Analyse, Positionierung und Strategie sind wichtig, um einen tragfähigen Businessplan entwickeln zu können. Mit dem unternehmerischen Konzept oder Praxiskonzept geht man in die Kreditverhandlung, plant und strukturiert seine Ideen und kann schließlich auch deren Umsetzung nachhalten. Der Investitionsplan ist Grundlage, um den Kreditbedarf zu ermitteln. Er stellt sicher, dass Sie alle geplanten Investitionen erfassen und schützt vor Kostenüberschreitungen. Mit dem Umsatz- und Ertragsplan lässt sich die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Praxis ermitteln. Er hilft unter anderem auch bei der Bewertung des Kaufpreises. In der "Checkliste für die Praxisgründung oder -übernahme" finden Sie wichtige Informationen zum Start in die Selbstständigkeit.

Besprechen Sie den Businessplan mit Ihrer Bank. Heilberufespezialist:innen können dabei unterstützen. Die HypoVereinsbank bietet potenziellen Praxisübernehmer:innen zudem eine ausführliche Stärken-Schwächen-Analyse sowie eine grobe Wertermittlung an, um zu ermitteln, ob der Wert der Praxis in das Gesamtfinanzierungskonzept passt und dieses tragfähig ist.

Dörte Andratschke
"Heilberufespezialist:innen unterstützen Ärzt:innen beim Kauf der ersten Praxis, wie auch bei allen weiteren unternehmerischen und privaten finanziellen Entscheidungen.“
Dörte Andratschke
Koordinatorin Region München

„Heilberufespezialist:innen unterstützen den Ärzt:innen beim Kauf der ersten Praxis, wie auch bei allen weiteren unternehmerischen und privaten finanziellen Entscheidungen“, sagt Dörte Andratschke. „Das fängt bei der betrieblichen Finanzierung der Praxis an, umfasst aber auch die Beratung für die persönliche und betriebliche Absicherung sowie verschiedene Notfallkonzepte.“

Förderkredite als Finanzierungsalternative.

Die wenigsten Ärzt:innen werden eine Praxisübernahme ausschließlich mit Eigenkapital finanzieren. Förderkredite sind bei Praxisübernahmen (und auch bei Praxisgründungen) eine Möglichkeit, Zinsvorteile zu nutzen. Mehr als 1.700 Programmvarianten gibt es bundesweit. Welches das richtige Programm für das Vorhaben ist, hängt von Kriterien wie dem Zweck und Inhalt des Vorhabens, dem Standort und der Höhe der geplanten Investition ab.

Dabei lassen sich beispielsweise über das KfW-Energieeffizienzprogramm Ersatzinvestitionen in energiesparende Geräte zinsgünstig realisieren. Darüber hinaus ermöglicht der KfW Unternehmerkredit günstige Finanzierungen für Vorhaben auch ohne konkreten Umweltbezug.

Förderinstitute auf Landesebene.

Auf Landesebene stehen über eigene Förderinstitute ebenfalls attraktive Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung. So bietet beispielsweise in Bayern die LfA Förderbank mit dem Startkredit, Investivkredit, Universalkredit und Energiekredit Förderprogramme zur Finanzierung von Investitionsvorhaben für Ärzt:innen und Zahnärzt:innen an.

Speziell für Gründer:innen gibt es bei der KfW zudem unter anderem den ERP-Gründerkredit - Universell, das ERP-Kapital für Gründung und den ERP Gründerkredit - Startgeld. Einige Förderprogramme können dabei mit einer anteiligen Haftungsfreistellung zugesagt werden, andere sind als eigenmittelähnlich anerkannt und wirken sich so günstig auf die Bilanzstrukturen und das Rating der Gründer:innen aus.

Ärzt:innen und Zahnärzt:innen sollten sich von Finanzpartner:innen umfassend zu den Finanzierungsmöglichkeiten beraten lassen. Einige Banken wie beispielsweise die HypoVereinsbank haben spezialisierte Heilberufeteams sowie Fördermittelspezialist:innen, die den optimalen Finanzierungsmix mit den Kund:innen und dessen Steuerberater:innen oder Rechtsanwält:innen erarbeiten.
Ihre Aufgaben:

  • Prüfen des Vorhabens: Marktchancen, Branchen-Know-how, Betriebswirtschaftlichkeit, Gründer:innen-Expertise
  • Konzeption des Finanzierungsmixes: Ausschöpfen öffentlicher Fördermittel sowie Beratung zu Investitionszuschüssen und Beteiligungen, Sicherung des Betriebsmittelbedarfs und der Kapitaldienstfähigkeit
  • Begleitung der Antragstellung: Vorbereiten der Förderanträge, Bereitstellen von Checklisten und Informationsunterlagen

Wichtig: Förderanträge müssen vor Beginn eines Vorhabens (zum Beispiel vor Unterzeichnung von Übernahmeverträgen) gestellt werden!

Merkliste: Förderkredit

Im Vergleich zu herkömmlichen Krediten können Förderkredite Zinsvorteile bringen

Vorteile von Förderkrediten:

  • Feste Kalkulationsbasis durch lange Darlehenslaufzeiten
  • Zinsbindung je nach Vorhaben und Förderprogramm bis zu 20 Jahre
  • Optionale anfängliche Tilgungsfreijahre
  • Öffentliche Ausfallbürgschaften und Haftungsfreistellungen
  • Verschiedene Förderprogramme durch Förderinstitute des Bundes und der Länder (zum Beispiel LfA Förderbank Bayern) ermöglichen passgenaues Finanzierungskonzept; für jeden Anlass können öffentliche Fördermittel einbezogen werden

 

Daneben gibt es weitere Finanzierungsformen:

  • Bankdarlehen: deckt mittel- und langfristigen Kapitalbedarf
  • Leasing: beispielsweise für Hard- und Software, Medizintechnik und Praxiseinrichtungen; steuergünstig und bilanzschonend
  • Betriebsmittelkredit: Eingeräumte Kontoüberziehung zur kurzfristigen Sicherung der Liquidität
  • Immobiliendarlehen: langfristig günstige Zinsen, lange Laufzeiten möglich
Private Ausgaben und Absicherung.

Durch die Selbstständigkeit ändern sich auch die privaten Finanzen. So muss bei der Finanz- und Liquiditätsplanung beispielsweise berücksichtigt werden, dass die Krankenversicherung in voller Höhe selbst bezahlt werden muss, sich die Höhe der Ärzteversorgung am Gewinn orientiert und Steuerzahlungen anstehen.

Zuletzt gehören zum Schritt in die Selbstständigkeit auch die Absicherung der eigenen Arbeitskraft und damit der Praxis, aber auch der Familie (Unfall-, Kranken- und Krankentagegeldversicherung, Risikolebensversicherung) sowie die private und betriebliche Altersvorsorge. Und ein Plan, wie Praxisübernehmer:innen ihren Ruhestand gestalten wollen – und damit die Praxisübergabe.

Fazit: Der Schritt in die Selbstständigkeit durch eine Praxisübernahme bietet für Mediziner:innen Chancen, bedeutet aber auch Risiko und Aufwand. Gründliche Analyse und eine durchdachte Strategie bilden die Basis für einen tragfähigen Businessplan. Fördermittel können eine clevere Beimischung im Finanzierungsmix sein. Spezialist:innen für Heilberufe in Banken sollten den Weg zur eigenen Praxis begleiten.

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